Max Meister im Gespräch mit Josef Gutsmiedl, CEO und Gründer von P.S. Cooperation in Bielefeld
„In Zukunft gibt es kein lieferantengebundenes KANBAN mehr“, schrieb Josef Gutsmiedl, CEO und Gründer von P.S. Cooperation in Eggenfelden kürzlich in einem Post auf Linkedin.
Anlass genug für eine Einladung von Max Meister zu einem Podcast Gespräch über interessante Entwicklungen, Einschätzungen und Perspektiven in Sachen Kanban. Auch Ludwig Meister bietet seinen Kunden seit vielen Jahren Kanban Lösungen an, d.h. in diesem Podcast treffen zwei echte Fachleute aufeinander.
Dabei erläutert Josef Gutsmiedl die von ihm und seiner Firma P.S. Cooperation entwickelten lieferantenunabhängigen Kanban Lösungen, ihre Vorteile beim Einsatz in der Praxis, die dahinterliegende Datenhaltung und auch die Kostenstrukturen in der Anwendung.
Viel Freude beim Zuhören. Anregungen und Fragen wie immer gerne über max@supplychainhelden.de
Transskript
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MAX MEISTER: Ok. Willkommen zu einer neuen Folge von Max und die Supply Chain Helden. Heute bin ich mal gespannt, wie sich die Episode so anfühlt, weil ich noch nicht genau weiß, ob ich mit dem Ergebnis ganz glücklich sein kann, aber ich habe meinen heutigen Gast bei LinkedIn gelesen oder habe was von ihm gelesen. Und zwar hat er geschrieben: In Zukunft gibt es kein lieferantengebundenes KANBAN mehr. Und das hat mich natürlich getriggert und da habe ich mir gedacht: Das will ich mir im Detail ein bisschen anschauen und bisschen darüber lernen und, ich glaube, das ist auch für euch interessant. In dem Sinne starten wir schon mal. Wie immer freue ich mich über Feedback an max@supplychainhelde.de und los geht‘s. Also heute ist zu Gast der Josef Gutsmiedl, CEO von der PS Corporation und sozusagen Zitatgeber von meinem Zitat soeben. Also, Josef, herzlich Willkommen.
JOSEF GUTSMIEDL: Hallo Max. Vielen lieben Dank für die Einladung. Freut mich heute bei dir einen Supply Chain Helden Podcast vortragen zu dürfen. Auch für ein sehr kontroverses Thema aus manch klassischer Lieferantensicht.
MAX MEISTER: Ja, genau. Dementsprechend wird das mit Sicherheit spannend. Bevor wir loslegen. Wenn ich das richtig verstanden habe, seid ihr oder bist du ein Anbieter von KANBAN-Software und, sage ich mal, alles was da so dran hängt. Bevor wir einsteigen. Kannst du mal versuchen für meine Hörerinnen und Hörer den Begriff KANBAN oder das Prinzip kurz zusammen zu fassen?
JOSEF GUTSMIEDL: Jawohl. Also KANBAN hat ja seinen Ursprung in der Produktion. Wo man sagt: Die Produktion zieht sich sein Material. Das heißt, man hat in der Produktion oder Ladungsträger von einem Material vor Ort, verbraucht den ersten Behälter und sobald der erste Behälter leer ist, bestellt man mit den ersten Behälter, sage ich mal, nach. Wohingegen der zweite Behälter dann als Reserver dient, bis die Nachbestellung wieder vor Ort ist, um die Produktion sicherzustellen, sodass ich wirklich im Pool-Prinzip das Material mir ziehe und immer genauso viel Material auf Lager habe, wie ich benötige.
MAX MEISTER: Ok. Und jetzt ist es, wir machen das für viele verschiedene Kunden. Da gibt es ganz viele Anbieter die das machen, ich sage mal, mehr oder minder schlecht oder mehr oder minder gut. Und mich würde jetzt interessieren, warum du der Meinung bist, dass es dafür eigentlich in Zukunft keinen Raum mehr gibt.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Also nehmen wir einfach mal einen klassischen mittelständischen Maschinenbau in Deutschland der beispielsweise Fahrzeuge produziert. Das heißt, er hat in seiner Produktion eine Vielzahl an Materialen. Er braucht Elektroartikel, Schrauben, Hydraulik- oder Pneumatikartikel. In einem wiederkehrenden Bedarf, also KANBAN-fähig. Wie geht er klassisch vor? Jeder kennt vielleicht von euch die klassischen C-Teile Management Systeme, wo ich sage: Für Schrauben habe ich ein KANBAN-System bei mir im Einsatz, um die ganze Steuerung zu optimieren. Aber diese klassischen Systeme kommen einfach schnell an ihre Grenzen, weil das Kernsortiment vom Anbieter nicht mehr ausreicht. Was heißt das aus Kundensicht? Ich habe ein KANBAN-System beispielsweise für Schrauben. Habe vielleicht ein weiteres für Elektroartikel, habe vielleicht noch eins für Pneumatikartikel und die restlichen Artikel muss ich über mein ERP-System oder per E-Mail manuell bestellen. Also das heißt aus Kundensicht, ich habe für ein und den selben Prozess nämlich KANBAN unterschiedliche Systeme im Einsatz die ich alle separat bedienen muss und wo ich auch separat die Logistik dafür benötige.
MAX MEISTER: Ok, aber jetzt ein bisschen provokant gesagt: Jetzt vom ganz klassischen KANBAN könnte man auch die These vertreten und sagen: Dem Kunden ist es Wurscht, wie das im Hintergrund läuft. Er will immer nur eine volle Kiste haben.
JOSEF GUTSMIEDL: Ja, natürlich ist das Ziel von KANBAN die Produktionsversorgung sicherzustellen. Also no running out of stock, aber der Kunde muss ja sehen, dass hinter diesen verschiedenen Prozesse für seine Teilbereiche auch verschiedene Lieferanten, verschieden Logistikabwicklungen stehen. Und diese verschiedenen Prozesse kosten natürlich auch Geld. Auch auf Lieferantenseite und Koordinationsaufwand auf Kundenseite. Plus in den klassischen KANBAN-Systemen ist oftmals, das Regalsystem, Behälter, alles vom Lieferanten gestellt werden und der Kunde eigentlich keine Chance hat, auch nur ein Teil oder ein Artikel in einem laufenden KANBAN-System zu wechseln, ohne dass er jedes Mal sein ganzes Lagersystem umstellen muss.
MAX MEISTER: Ok. Also allgemein kann ich das gelten lassen. Bei uns weiß ich, aber das ist auch nicht der Großteil von unserem Geschäft, aber bei uns weiß ich schon, dass wir, sage ich mal, sehr individuell hier unterwegs sind und auch kleine Änderungen durchaus möglich sind. Das Argument verstehe ich. Also du sagst, man muss auch als Kunde die Prozesse im Hintergrund berücksichtigen, zum einen weil sie A) was kosten, aber B) auch weil sie unterschiedlich sein können und die Technik vor Ort kann der Kunde oft nicht beeinflussen oder nicht so stark beeinflussen. Das ist eins der Hauptargumente, oder?
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Plus eben die immense Abhängigkeit an einen Anbieter für das Sortiment im KANBAN-System. Das heißt, er hat dann nur in diesem Schrauben-KANBAN nur das Kernsortiment des Lieferanten oder seine Eigenmarken. Kann aber beispielsweise dann nicht sagen, ich möchte meine lokale Dreherei oder Fräserei mit anbinden oder weitere Unternehmen oder sogar Marktbegleiter des KANBAN-Anbieters, weil keiner Interesse daran hat.
MAX MEISTER: Ja, ok, klar. Das ist nachvollziehbar. Ist ja auch oft heute die gängige Praxis, dass man dann halt einfach das gesamte Sortiment versucht abzubilden. Aber kommen wir nochmal ganz kurz auf den Kunden zurück. Du hast einmal gesagt, heute ist das Begrenzte oft das Sortiment. Dadurch gibt es unterschiedliche Anbieter. Gibt es noch andere Bereiche oder gibt es andere Gründe, warum der ein und der selber Maschinenbauer einmal KANBAN-Lieferant A und einmal KANBAN-Lieferant B auswählen könnte?
JOSEF GUTSMIEDL: Ja, also der Kunde möchte ja in erster Linie die technische Anwendungsberatung seiner Lieferanten behalten. Das heißt, er hat einmal auf der Seite Schraube, wenn wir das Schauben-Bespiel weiterspinnen, oder auch auf dem Beispiel Elektro einen direkten Ansprechpartner. Deswegen möchte er zwei Systeme dort im Einsatz haben. Weil eben die klassischen Systeme ermöglichen es ihm nicht, die direkte Beziehung zu behalten zum Lieferanten, sondern da ist im Großteil ein Konsolidierer dazwischen, der die Artikel vereinnahmt und für den Kunden zwischen lagert und anliefert und ggf. auch dem Helpdesk zur Verfügung stellt. Aber niemals in der technischen Expertise, in der Tiefe, wie der eigentliche Hersteller oder sonstige Lieferant kann.
MAX MEISTER: Ok. Also so ganz sozusagen bei den/ also ich kann die Vorteile nachvollziehen, ob sich deswegen immer eine eigene KANBAN-Lösung oder eine eigene KANBAN-Software anbietet. Das weiß ich nicht. Ich glaube, das hängt schon auch davon ab, in welchem Verhältnis das beim Kunden steht. A) Wie wichtig sind die Teile, aber auch B) lege ich mich jetzt wirklich auf einen zu 100% fest oder vielleicht auch nur zu 80%, also ich meine, da gibt es kein sozusagen nur schwarz oder weiß. Sondern irgendwo liegt die Wahrheit dazwischen und es hängt sicher viel am konkreten Bedarf vom Kunden ab.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Genau. Natürlich, wir hatten vorhin schonmal gesprochen, der Kunde hat heute schon die Bordmittel ein unabhängiges KANBAN-System selber aufzustellen. Also die gängigen ERP-System, wie SAP oder Microsoft haben ja alles KANBAN-Modul zur Verfügung. Der Kunde muss aber auch damit in Kauf nehmen, dass seine eigene IT-Schnittstellenanbindung machen muss, den KANBAN-Prozess etablieren muss, die Mengen vorhalten muss und einfach das Knowhow für KANBAN erst aufbauen muss. Und die anderer Alternative wäre wirklich zu sagen, ich habe ein neutrales Modul KANBAN, wo ich alle meine Lieferanten an stöpseln kann und wir beispielsweise kümmern uns dann darum, dass die Schnittstelle vereinheitlicht ist, dass die Datenübertragen passen und eben auch die Weiterentwicklung in so einem KANBAN-System, Thema E-Label, weiter vorantreiben können.
MAX MEISTER: Ok. Also zum Thema Weiterentwicklung und E-Label komme ich gleich nochmal. Da müssen wir jetzt vielleicht mal ganz kurz den sozusagen einen Perspektivwechsel machen. Also ich sage ja immer: Wir sind ja nicht auf dem Weg zur Weltherrschaft, sondern wir wollen einfach irgendwie nur ein gutes Geschäft betreiben. Deswegen habe ich auch überhaupt kein Problem damit, wenn es da Modelle gibt, die einfach andere Ansätze haben. Mir geht es einfach ein bisschen darum zu verstehen, was wirklich die Vorteile sind. Wie würdest du denn jetzt, wenn ich jetzt ein potentieller Kunde wäre, also nicht potentieller Lieferant, sondern potentieller Kunde für eure Lösung. Wie würdest du das verkaufen und würde so ein Projekt aussehen? Fangen wir doch mal an. Pitch nochmal vielleicht die Vorteile bevor wir dann in so ein Projekt reinkommen.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Also lieber Kunde, wir bieten dir erstmalig ein KANBAN-System für alle deine Lieferanten und du behältst die direkte Beziehung zu deinen Lieferanten. Das heißt, du kannst flexibel wählen wer in dein KANBAN-System kommt oder wer nicht reinkommt. Plus, wir geben dir mit unserem Preismodell oder SARS-Modell einfach eine Transparenz. Also wir verzichten auf zweistellige Prozentaufschläge auf Handlings Artikel, sondern geben dir einfach ein Modul KANBAN, wo du transparent neue Artikel mit aufnehmen kannst. Was bringt es dir? Wir bringen dir einen konsistenten Datenpool für alle KANBAN-Artikel, wir bieten dir eine Schnittstelle in dein ERP-System und optional kümmern wir uns auch noch um die Themen, wie individuelle Logistikdienstleistung vor Ort. Und du hast die Möglichkeit Multiple Dual Sourcing wie auch immer bewerkstelligen zu können.
MAX MEISTER: Und wenn ich jetzt keine, sage ich mal, Kapazität habe oder ich weiß einfach nicht, wie man so ein KANBAN-System aufsetzt? Unabhängig von der Software. Wie würde das dann konkret funktionieren?
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Wir gehen auf den Kunden los und sagen, ok, einmal begutachten wir die Produktion, sprich welchen digitalen Reifegrad hast du auch schon in deiner Materialbeschaffung. Wenn er alles schon durchdigitalisiert hat mit FTS und E-Paper, dann macht das wahrscheinlich wenig Sinn von unserer Sicht, aber wenn ich sagen, er hat beispielsweise eine DIN- und Normteile-KANBAN und alles andere wird manuell abgewickelt, dann gehen wir durch die Produktion, schauen, welche Materialgruppen kommen in Frage und picken uns dann die Materialgruppen raus und gucken dann, was sind denn Dreher, sind es Schnelldreher, entlasten wir deinen Prozess und machen dann im ersten Stepp ein Pilotprojekt mit einem Lieferanten mit einem überschaubaren Artikelsortiment, um einfach alle Themen, Logistik, Schnittstellenanbindung abbilden zu können.
MAX MEISTER: Genau. Und wie sehen die Schnittstellen aus, bzw. was müsste ich dafür können als Kunde?
JOSEF GUTSMIEDL: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Es gibt Kunden die brauchen keine Schnittstelle. Das heißt beispielsweise der Schüttgutkenner keine Übertragung ins ERP-System. Da läuft el/ka/sy oder unser System völlig autark. Weitere Möglichkeit ist einfach Anbindung ans ERP-System, wie man es benötigt. Sei es über Lieferpläne, sei es über Purchase Orders. Wir haben eine standardisierte Schnittstelle für alle ERP-Systeme ohne Customizing-Aufwand für den Kunden. Das selbe bieten wir auch auf Lieferantenseite. Also wir haben gemeinnützige Werkstätte, die kriegen klassischer Weise eine E-Mail als Bestellung, weil einfach da kein Kommissioniersystem im Hintergrund ist. Bis hin zu großen Lieferanten, wo man sagt, man hat eine digitale Schnittstellenanbindung auch. Im Standard aber. Wichtig für uns immer, alles Plug and Play im Standard ohne großen Customizing-Aufwand.
MAX MEISTER: Ok. Und wie interagiere ich dann mit eurer Software? Ist das eine eigene Internetseite oder wie funktioniert das?
JOSEF GUTSMIEDL: Genau, wir haben zwei Module. Einmal das Modul in der Produktion selber, wo die Bedarfsmeldung ausgelöst wird. Das darf man sich vorstellen wie eine el/ka/sy, also das ist die el/ka/sy-App. Dort kann ich den Warenbedarf buchen. Sehe auch dann ein Übersicht, was ist bestellt worden und kann dann auch, wenn benötigt, den Wareneingang wieder über RFID buchen und im Hintergrund habe ich natürlich die Software, Web-Plattform, wo sämtliche Bestellungen gemonitort werden, überwacht werden, Schnittstellen überwacht werden. Alles voll automatisiert. Also auch beispielsweise dadurch, dass wir die Wareneingänge abbuchen, kann ich überwachen Wareneingänge, Lieferperformance. Also, wenn ich einen hinterlegten Turnus hätte, beispielsweise fünf Tage, kann ich automatisch ein Warensystem mit angliedern.
MAX MEISTER: Ok. Beschreib das bitte nochmal schnell genauer. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstanden habe. Das Letzte.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Also wir buchen ja einmal mit RFID oder IOT-Technologie den Warenbedarf in der Produktion.
MAX MEISTER: Also, wenn jetzt zum Beispiel ein Behälter in einen Briefkasten geschmissen wird oder aus einem Regal rausgenommen wird, also unterschiedliche Technik, die eine Leermeldung verursacht. So würde ich das jetzt sagen.
JOSEF GUTSMIEDL: Sprich eine Bestellung beim Lieferanten und wenn der Wareneingang kommt, ist die Ware entweder in einem Behälter geschüttet oder wird wieder in einen Behälter verbracht und mittels diesem Behälter mit RFID-Tech oder IOT-Technologie wird auch wieder der Wareneingang bestätigt. Weil uns interessiert die Waren tatsächlich vor Ort. Uns interessiert nicht ein Liefer-Avis oder ein Telefonat vom Außendienst oder vom Innendienst, dass die Ware kommt, sondern aus Kundensicht interessiert uns nur die Ware, die mir tatsächlich in der Produktion wieder vorliegt. Und dadurch kann unser System natürlich auch den Wareneingang überprüfen und kann dann monitoren, automatisiert, ohne dass Menschen dahinter, sage ich mal, agieren müssen. Und das Zweite ist, wenn ich logistische Dienstleistung habe, habe ich natürlich auch einen transparenten Kenner für die Logistikabwicklung, weil pro Behälterbewegung ist ein Wareneingang erfolgt.
MAX MEISTER: Ok. Und wie wird in der Regel der Wareneingang verbucht bei Kunden?
JOSEF GUTSMIEDL: Wenn er LCasi autark läuft, dann gar nicht ERP-System. Ansonsten beispielsweise bei SAP über Lieferpläne, dass man einfach den Wareneingang zu bucht oder die Purchase Order mit bucht. Also bei großvolumigen oder wertigen Teilen macht der Wareneingang auf alle Fälle Sinn mit der Anbindung.
MAX MEISTER: Müssen wir vielleicht nochmal kurz einen Bogen machen, damit ich das sozusagen auch verstehe über die Technik. Du hast jetzt von IoT, also sage ich mal, Internet of Things oder Industrie 4.0. Das sind dann vielleicht Wagen, die sagen, hier steht jetzt eine Kiste. Kannst du bisschen was über die Technik sagen, weil mir fehlt noch das Bild, wie sozusagen sieht´s wirklich konkret beim Kunden aus und was kommt konkret von euch?
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Also wir arbeiten bei der Hardware mit Partnern zusammen, also wir sind kein eigener Hardware Hersteller, sondern nehmen oft Shelf-Hardware für verschiedene Möglichkeiten. Barcode, denke ich mal, ist das klassischste was jeder kennt. Wäre für kleine Kunden. RFID-Technologie, wo ich sage, mit einem RFID Empfänger oder Reader oder einem mobile Device oder was wir ganz neu haben ist diese E-Lable-Technologie, wo ich sage, ähnlich wie ein Amazon Dashbutton bestelle ich über einen Knopfdruck beim Lieferanten oder in der Intralogistik und buche auch wieder den Wareneingang dazwischen.
MAX MEISTER: Ok. Also ich habe auch so drei so Amazon Dashbutton, aber die gehen bei mir nicht mehr. Also ich habe A) einmal sehr viel Spülmittel bestellt, aber das ist ein anderes Thema. E-Label sagt mir so nichts. Bitte versuche das nochmal so ein bisschen ausführlicher, dass ich mitkomme.
JOSEF GUTSMIEDL: Kein Problem, also wir kenne vielleicht im Supermarkt, gibt es schon moderne Supermärkte, die elektronische Preisauszeichnungen haben. Die natürlich einen ganz anderen Hintergrund haben für Day Pricing. Diese Price Tags, diese digitalen Labels, mit einem elektronischem Display finden auch immer mehr Einsatz in der Produktion. Weil ich sagen: Ich habe keine gedruckten Etiketten mehr, sondern ich habe ein digitales Lable, wo ich zentral die Informationen am Lagerplatz am Ladungsträger steuern kann. Also Artikelnummeränderungen, Artikelsperrungen, Lieferinformationen, technische Zeichnungen oder gewisse Drehmomente oder Installationshinweise kann ich alle auf dem digitalen Display darstellen, ohne dass jemand E-Mails oder Excel oder sonst irgendwo rumgeben muss. Da ist ein signifikanter Vorteil im gesamten Prozess.
MAX MEISTER: Und da ist im Zweifelsfall auch ein Knopf mit dabei, wenn ich sage, ich habe vielleicht dann sogar nur eine Kiste und sage: Oh, die geht gleich leer oder die ist schon leer. Drücke ich einen Knopf kommt eine neue KANBAN-Kiste angeliefert.
JOSEF GUTSMIEDL: Da gibt es mehrere Anwendungsmöglichkeiten. Entweder ich sage, ich mach großvolumige B-Teile und Palettenstellplätze, also Kabelrollen, Haspelrollen oder auch Industriegase. Kann es aber genauso gut am Behälter und am Arbeitsplatz anbringen. Das Ziel natürlich von der ganzen Vernetzung ist, dass wir im Ideal vom Produktionsarbeitsplatz über ein Lager zum Hersteller, Lieferanten eine vernetzte Supplychain haben, um da einfach auch frühzeitig schon Lieferengpässe oder kritische Pfade digital und automatisiert zu erkennen.
MAX MEISTER: Ok. Das heißt, ihr habt die Technik vor Ort, wir haben versucht sozusagen das KANBAN-System zu erklären. Ich hoffe, dass es auch nachvollziehbar war, aber du hast ja da die richtigen Worte gefunden. Das heißt, ihr erstellt auch Technik bereit, die beim Kunden vor Ort, ich sage mal, in der Produktion bestellt und das kann jetzt entweder tatsächlich so ein Barcode-Scanner sein oder RFID-Tags oder diese E-Labels. Bitte beschreibt mal, wie entscheidet der Kunde was er genau haben will? Macht er das mit euch zusammen oder mit den bisherigen Lieferanten? Bitte beschreib das nochmal ein bisschen.
JOSEF GUTSMIEDL: Also das machen wir im Regelfall mit dem Kunden zusammen, je nach Größe auch des Kunden und des Anwendungsfalls. Also RFID-Technologie, wenn ich nur ein kleines Regal habe mit 50 Artikel, macht wenig Sinn, weil der initiale Setup teurer ist eigentlich als der Mehrwert der daraus entspringt. Und dann muss man gucken, wie weit geht auch die KANBAN-Versorgung in die Produktion rein. Also macht ein E-Lable Sinn oder macht kein Sinn. Und natürlich der zweite Part, es ist ein Kostenfaktor. Je digitaler ich werde desto teurer. Die E-Lable sind im Moment noch nicht sehr preisgünstig.
MAX MEISTER: Ok. Und tatsächlich von den Kosten. Das würde mich auch interessieren, weil die Grundargumentation, dass ich sozusagen unabhängiger bin und das ich mehrere Lieferanten anbinden kann. Das kann ich nachvollziehen. Allerdings diese Unabhängigkeit kostet auch was. Wie sieht bei euch das Pricing aus? Also einmal die Softwareseite und einmal die Hardwareseite.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Also die Hardwareseite, wie gesagt, das ist nicht unser Kernfokus. Da kann der Kunde auch selber USB-Hardware bereitstellen. Da nehmen wir einfach oft das Shelf Barcodereader oder RFID-Reader, haben aber auch schon Partnerlieferanten im Petto. Und da sprechen wir von 200 Euro bis hoch, wenn ich eine große Leuchtbox brauche, die aber auch nichts anderes kann als ein RFID-Gerät, bei 3000 Euro. Und bei der Software haben wir Source Pricing Modell. Angepasst auch an die Leistungen, die beim Kunden benötigt wird. Als uns ist wichtig – el/ka/sy ist modular aufgebaut. Wir wollen jedem ein KANBAN möglich machen. Für alle seine Lieferanten, auch angepasst an die Unternehmensgröße. Also kleiner Unternehmen brauchen vielleicht keine digitalen Wareneingang oder keine Monitoring und das kann ich immer weiter hochskalieren. Und da sprechen wir in der kleinsten Variante irgendwo im unteren 100 Euro Bereich und im Enterprise Bereich kommt es natürlich darauf an, wie viel Werke, wie viel Arbeitsplätze ich habe und die Logistik ist separat zu betrachten.
MAX MEISTER: 100 Euro pro was? Monat, Tag, Werk, was? (lacht)
JOSEF GUTSMIEDL: Pro Monat pro Werk für einen Lagerplatz.
MAX MEISTER: Also das heißt, einfach damit man bisschen ein Gefühl kriegt, ich habe vier KANBAN-Supermärkte in einem Werk, dann wären das praktisch viermal 100 Euro pro Monat.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Habe aber noch keinen Wareneingang etc. da kann ich dann flexibel gestalten. Also dort auch der Ansatz: Also Kundenseite, Lieferantenseite kann ich modular hinzubuchen, wann ich es brauche oder wann ich es nicht brauche. Einfach angepasst an die Prozesse.
MAX MEISTER: Ok. Und wenn du jetzt bisschen heute sprichst über die Kunden, die ihr heute habt. Wie groß sind die? Ich habe da gar kein Gefühl dafür.
JOSEF GUTSMIEDL: Also wir haben alles. Vom kleinen Unternehmen mit 75 Mitarbeitern bis hin zum SDAX-Unternehmen. Alles, ganze Bandbreite. Wo es sinnvoll ist aus Kundensicht.
MAX MEISTER: Ok. Das heißt, da gibt es die Unterschiede. Es hängt wahrscheinlich auch daran, was für ein Bedarf dieses 75 Mann-Unternehmen hat und auf wie viele Lieferanten sich das vielleicht verteilt. Jetzt ist es: Ihr baut die ganze Software selber. Was sind so denn die Ausblicke in die Zukunft? Was kommt denn da so als nächstes?
JOSEF GUTSMIEDL: Ja, also Software ist unsere Kernkompetenz, das heißt wir haben auch ein IT-Development Team, was einen Schwerpunkt ausmacht. Unsere Zukunft geht dahin, dass wir sagen, alle Themen die im Hintergrund noch stattfinden, also Behälteroptimierungen, Lagerplatzoptimierungen, dass wir das mittels eines 3D-Zwillings eines Lagers automatisieren und optimieren. Das darf man sich so vorstellen, wenn ich beispielsweise Anpassungen nehme bei der Bestellmenge, dann gucke ich digital hat der Behälter noch Platz, darf der Behälter so viel wiegen, hat das Regal noch Platz und kann dann digital sofort diese Lageroptimierung anstoßen, ohne dass ich mit Excel-Listen oder Handzettel rumrennen muss.
MAX MEISTER: Das heißt aber, ihr seid in dem Fall auch abhängig von den Stammdaten die ihr habt, bzw. die von den Lieferanten kommen, oder?
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Also wir brauchen natürlich dafür irgendwo Stammdaten, CAD-Dateien oder STL-Dateien plus die Kombination mit den Lagerdaten, also sprich Regalsysteme und Behältersysteme, um dann letzten Endes diesen Zwilling auch zu befüllen. Aber diese Daten sind im Regelfall erhältlich.
MAX MEISTER: Ok. Das ist, wenn ich bei uns angucke, ich mein, wir haben auch angefangen auch wirklich die Artikel abzuwiegen und 3D zu scannen, weil eben halt sehr viel überhaupt nicht vorhanden war. Aber das ist, glaub ich auch, sortimentsabhängig. Also es gibt Bereiche die sind sicher besser standardisiert und Bereiche die sind schlechter standardisiert.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau.
MAX MEISTER: In der aktuellen Lage, wie merkt der Kunde, wenn ich bei einem Lieferanten ein Belieferungsproblem kriege?
JOSEF GUTSMIEDL: Er kriegt frühzeitig eben durch die Monitoring vom Wareneingang die Information, pass auf, dieser Artikel wird nicht zeigerecht geliefert. Der Lieferant hat wiederrum sofort die Information auf dem Tisch. Pass auf, der Kunde braucht eine Information, wann kommt da ein neuer Artikel. Parallel dazu überwachen wir auch sämtliche ABs. Also Corona hat uns gezeigt, dass ich für ein und denselben Artikel die ABs während des Tages öfter mal ändern können, durch unterschiedliche Beschaffungszeiten und dort kennen wir automatisch über Texterkennung, was ist der neue Liefertermin, gleichen den ab mit den standardhinterlegten Liefertermin und geben dann frühzeitig die Information an den Kunden raus.
MAX MEISTER: Und vergleicht ihr diese Daten zentral für alle eure Kunden oder ist das jeweils in einem Datensilo, sodass sozusagen der Kunde aber auch nur seine eigenen Daten sieht?
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Nur für seine eigenen Daten letzten Endes.
MAX MEISTER: Ok, aber das wäre tendenziell für die Kunden die es wollen auch nochmal ein Potential, dass ich von anderen Kunden auch dazu lerne, oder?
JOSEF GUTSMIEDL: Genau, also das Ziel wäre zu sagen: Ok, man erkennt vielleicht im Hydraulikbereich ist die Wiederbeschaffungszeit für das Materialsegment jetzt um 10% gestiegen .Einfach dort eine generische Information rauszugeben und zu sagen: Pass auf, hier könnte es zu Engpässen kommen. Und weil du vorhin angesprochen hast, Max, was haben wir noch im Petto. Also wir wollen eigentlich diese Vernetzung schaffen. Produktionsplanungsdaten matchen auch mit den Wiederbeschaffungszeiten und dort einfach wirklich in einer Art predictive Supply Chain dieses Thema anzugehen und automatisiert abzubilden. Sowohl auf Kundenseite als auch auf Lieferantenseite, weil beide profitieren davon. Weil wir wollen im KANBAN immer die Produktion am Laufen erhalten.
MAX MEISTER: Ja ist klar. In dem Fall, das spräche allerdings aktuell noch für ein schönes KANBAN-System von uns, weil das machen wir aktuell schon. Also dass wir die Daten sozusagen zusammengefasst sammeln im Einkauf und wirklich auch schauen, wie entwickeln sich die Wiederentwicklungszeiten und im Zweifelsfall wirklich auf Teileebene Rückmeldung an den Kunden geben. Also deswegen, da ist mit Sicherheit ein großes Potential vorhanden.
JOSEF GUTSMIEDL: Genau. Ich meine, ihr seid schon relativ weit aus Lieferantensicht, aber wenn wir auch an gemeinnützige Werkstätten oder kleiner Händler denken, dann geben wir denen auch die Möglichkeit, sage ich mal, schnell auf dieses Pferd aufzusatteln. Eben mit dem Fokus aus Kundensicht alle seine Lieferdaten anzubinden, mit dieser Information. Wenn es der Lieferant schon hat, umso besser.
MAX MEISTER: Ja ist klar, aber natürlich auch nicht in allen Sortimentsbereichen bei uns. Das geht dann eher in den Bereichen, wo wir halt einfach auch wirklich Traffic haben. Also wo wir viele Verbrauchszahlen haben. Ok, also ich glaube, ich hab es im Groben und Ganzen verstanden. Das heißt, ihr habt einmal zwei unterschiedliche Softwarepakete. Ihr könnt den Kunden beraten, wahrscheinlich auch mit den Herstellern von der Technik vor Ort und versucht sozusagen, wie in KANBAN-Beratung aufzutreten.
JOSEF GUTSMIEDL: Beratung würde ich nicht sagen, sondern der Fokus liegt wirklich auf der Software auf dem KANBAN-Modul.
MAX MEISTER: Ok, also sozusagen, wenn ihr nur die Software anbietet, dann kann der Kunde das noch nicht. Außer er hat schon KANBAN im Einsatz und hat die Erfahrung gesammelt, weil das wissen wir beide, alleine das Anpassen von einem KANBAN-System über die Zeit, weil Produkte laufen aus, es kommen andere Produkte dazu. Plötzlich hat man ein Produkt im KANBAN das passt überhaupt nicht mehr in das Regal, also es lebt sozusagen. Und das muss man dem Kunden auch irgendwie beibringen, dass der damit umgehen kann:
JOSEF GUTSMIEDL: Genau, also dafür nutzen wir aber dann auch im lebenden KANBAN unsere Software. Da haben wir einen KANBAN-Tuner drin, der solche Themen macht, wie Renner-Penner-Analysen oder FiFo-Prinzip missachtet oder Behälter verloren gegangen oder ich habe alle Behälter auf einmal bestellt. Das wäre ein Signal für Running out of Stock. Und das machen wir aber alles schon im Hintergrund automatisiert und intuitiv so aufbereitet auf einer Webplattform, dass der Kunde das auch schnell versteht, ohne dass er irgendwo sich groß einlesen muss oder Lehrgänge braucht für KANBAN-Bewirtschaftung.
MAX MEISTER: Ok. Dann hätte ich nur noch eine Frage, und zwar: Wie wollt ihr denn dann in Zukunft, wie sagt man, wenn es geht. Ihr seid ja schon bei Kunden von uns, also bei einem weiß ich das zumindest. Wäre das sowieso gut, wenn ihr uns immer mit reinbringt. Das ist das Eine, aber mich würde interessieren, wie wollte ihr bei anderen Kunden wachsen oder wie akquiriert ihr Neukunden?
JOSEF GUTSMIEDL: Also unsere Neukundenakquise ist entweder direkt über uns über die Ansprache. Dann natürlich auch großes Referenzmarketing über bestehende Kunden und der dritte und größte Baustein, was auch in unserem Namen ist, dieser Corporations-Ansatz, auch über unsere bestehenden Lieferanten. Also wir haben jetzt über 85 aktive Lieferanten darin, also ich sage mal, die gängigsten Industrielieferanten und -hersteller sind mit dabei, die dann auch oftmals beim Kunden den Bedarf sehen, dass man ein KANBAN braucht. Zwar nicht nur für sein eigenes Sortiment, sondern für alle Sortimente und die bringen uns dann beim Kunden auch ins Spiel.
MAX MEISTER: Ok. Ja, ich frage deswegen nach, weil das ist schon ein relativ kompliziertes Produkt. Also das ist nicht sozusagen, können wir schlecht bei Amazon bestellen, sondern das ist sehr beratungsintensiv, muss man Vorteile erklären. Also das ist nicht einfach im Vertrieb.
JOSEF GUTSMIEDL: Ja, ich sage mal, der Kunde kennt KANBAN. Im Industriebereich kennen viele den Schrauben-KANBAN und wir sagen halt: Pass auf, wir geben dir ein KANBAN für alle deine Lieferanten und wir machen dem Kunden, da müssen wir ihn beraten, auch frei davon, dass wir nur über C-Teile sprechen, also kleine oder kleinvolumige Teile oder kleinpreisige Teile, sondern eben auch großvolumige Teile, die für ihn sinnvoll sind in der Abwicklung. Also auch Roheisen, Industriegase oder Sattelzüge voll Glaswolle sind denkbar. Also frei machen von der C-Teile-Welt, sondern wirklich in diesem KANBAN-Gedanken, um einfach einen Prozess mit einem System einzugliedern.
MAX MEISTER: Ok. Also, ich glaube, ich hab es soweit verstanden. Vielen Dank schon mal für deinen Input. Ich meine sozusagen es gibt da nicht die „one-size-fits-all“ Lösung, also auch nicht für jeden Kunden muss er unbedingt lieferantenunabhängig sein. Kann den Gedanken dahinter schon verstehen. Ich glaube, man muss ein bisschen gucken, was für Aufwände entstehen. Wie groß ist es, wie wichtig ist es, und man muss es vielleicht auch nicht sozusagen über das Knie brechen. Wenn man einfach ein kleines Schrauben-KANBAN oder Dichtungs-KANBAN oder so hat und das läuft und ich brauche auch nicht viel Monitoring im Hintergrund. Was mir gefällt ist die direkte Verbindung auch bei technischer Expertise zwischen dem Kunden und dem Lieferanten. Das ist nämlich meiner Meinung nach oft auch ein bisschen eine Blackbox und das Wichtigste ist, dass die Kunden oder dass die Firmen produzieren können. Und da ist es, glaube ich, auf jeden Fall von Vorteil, wenn man auch Supply Chain übergreifend wirklich sinnvoll miteinander kommuniziert. Also das ist schon auch unser Ansatz. Also da bin ich nicht sozusagen dagegen, sondern ich kann das schon nachvollziehen. Und, ja, danke für dein Einblick und dann wünsche ich dir da viel Erfolg.
JOSEF GUTSMIEDL: Super, Max. Vielen Dank für das Gespräch und den konstruktiven Austausch. Ich freue mich auf das nächste Mal.
MAX MEISTER: Ja, danke.
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