Max Meister im Gespräch mit Daniel Simon, Consultant bei Miebach Consulting Group, München
Kaum ein Thema beschäftigt Industrie und Wirtschaft in den beiden letzten Jahren so intensiv, wie die Risiken in der Supply Chain.
Nach Jahrzehnten der weltweiten Expansion in Sachen Lieferketten wurden durch Corona, einer zeitweisen Blockade des Suezkanals und seit Februar durch den Krieg in der Ukraine die Risiken einer weltweiten Supply Chain Organisation mehr als deutlich.
Durch ein interessantes Whitepaper wurde Max Meister auf Daniel Simon aufmerksam, der sich intensiv mit der Risiko Beurteilung und Risiko Management Ansätzen beschäftigt. Anlass genug, in einem Gespräch in unserer Podcast Reihe seine Gedanken und Überlegungen zu diesem aktuell für viele Hörer wichtigen Thema näher kennen zu lernen.
Viel Freude beim Zuhören. Anregungen und Fragen wie immer gerne über max@supplychainhelden.de
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MAX MEISTER: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Max und die Supply-Chain-Helden. Heute habe ich Daniel Simon zu Gast. Er ist Consultant bei Miebach und normalerweise habe ich ja nicht so viele Consultants und Berater hier im Podcast, aber Daniel kümmert sich vor allem um das Thema Supply-Chain Risk Profiling. Und, ich denke, das ist gerade in der aktuellen Zeit superwichtig und deswegen wollte ich ihn einladen. Und ich freue mich, dass du live dabei bist.
DANIEL SIMON: Ja, hallo zusammen. Danke für die Einladung. Freut mich hier zu sein.
MAX MEISTER: Sehr schön. Ja, also tatsächlich bin ich über ein Whitepaper auf dich aufmerksam geworden, wo es um das Thema allgemeine Risiken in der Supply-Chain geht. Und jetzt würde ich gerne sozusagen einfach da mal Schritt für Schritt einsteigen und aus deiner Sicht hören, was neben so einem schrecklichen Krieg, wie in der Ukraine, aber was für Risiken gibt es generell und wie kann man so seine eigene Supply-Chain auch ein bisschen bewerten.
DANIEL SIMON: Ja, sehr gerne. Also das Thema Supply-Chain Risk ist, glaube ich, eins, wie du gerade gesagt hast, was aktuell mehr gefragt ist denn je. Wir haben so viele Themen auf dieser Welt momentan die uns Probleme bereiten. Aktuellstes und wahrscheinlich mit Abstand auch das schlimmste Thema ist der Ukraine-Krieg. Aber es ist nicht das Einzige. Wir hatten gerade in den letzten zwei, drei Jahren einen extremen Anstieg, was Risiken in der Supply-Chain anging, die auch die Lieferketten komplett durcheinander gebracht haben. Also da gibt es zum Beispiel die Evergiven. Hat jeder glaube ich von uns mitbekommen, hat die Bilder gesehen. Das Beispielbild schlecht hin, war der kleine Bagger unter dem riesen Containerschiff, der versucht hat, dieses Boot wieder freizuschippen. Aber nicht nur das, auch politische Themen, wie der Brexit zum Beispiel. Die sind relevant für alle Lieferketten auf dieser Welt. Egal von wo nach wo sie laufen. Sie betreffen entweder unsere Lieferanten, unsere Supplier oder auch theoretisch haben Einfluss auf unsere Kunden oder sogar auf unser eigenes Netzwerk. Genau. Und da gibt es eben verschiedenste Möglichkeiten, wie man auch damit dann in Zukunft umgehen kann, bzw. sich bestmöglichst darauf vorbereitet.
MAX MEISTER: Ok. Und wir wollen ja nicht jetzt sozusagen anhand von einem konkreten Beratungsprojekt oder so da durch gehen, sondern einfach das ganze Thema bisschen allgemeiner besprechen. Und jetzt würde mich interessieren, wenn du auf eine Supply-Chain draufschaust, was für Kategorien gibt es da zur Bewertung von möglichen Risiken?
DANIEL SIMON: Gut, also jede Lieferkette ist natürlich in sich besonders und anders. Es gibt keine Lieferkette, die ist gleich. Dementsprechend ist auch das Thema Supply-Chain Risk Management bei jedem Unternehmen anders zu betrachten. Aber ganz grundsätzlich gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten das auch, ich sage mal, im ersten Schritt relativ einfach zu handhaben. In dem man sich zum Beispiel nur bestimmte Bereiche anschaut. Also beispielsweise man schaut sich nur die Lieferantenseite an oder man schaut sich erstmal nur an, was passiert denn in meinem eigenen Netzwerk. Wo sind denn die kritischen Knotenpunkte. Oder man schaut sich auch vielleicht nur bestimmte geographische Regionen an, also beispielsweise, wie ist es momentan denn im Osten. Russland, Ukraine, Weißrussland. Habe ich dort Lieferanten? Habe ich dort Läger? Habe ich dort bestimmte Kundengruppen, die ich vielleicht nicht mehr beliefern kann? Also das macht oft Sinn, sich nicht immer gleich von vornherein die gesamte Supply-Chain anzuschauen, sondern vielleicht erstmal dezidiert ranzugehen an die Sache. Gerade, wenn man das zum ersten Mal macht oder beginnt ein Supply-Chain Risk Management einzuführen im Unternehmen. Da dann wirklich erstmal dezidiert sich bestimmte kritische Bereiche anzuschauen und überhaupt herauszufinden, wo sind denn die größten Probleme und wo sind die größten Risiken für meine Lieferkette.
MAX MEISTER: Und, also ich kann das jetzt bei uns sagen. Wir haben, als die Coronakrise angefangen hat, haben wir festgestellt, dass beispielsweise einfach zwar der Hersteller in einem Land produziert hat, was jetzt nicht gefährdet war oder wo keine Lockdowns waren, aber das Logistikzentrum stand in Norditalien oder in einer Region in Frankreich. Aber oft weiß ich das ja gar nicht. Also deswegen würde ich vielleicht nochmal einen Schritt zurück. Mich würde interessieren, wenn du sagst, wie identifizierst du denn so, sage ich mal, kritische Knotenpunkte oder kritische Themen in einer Lieferkette und Supply-Chain?
DANIEL SIMON: Also da gibt es auch wieder verschiedene Möglichkeiten und natürlich, kurz einen Satz dazu: Es ist schwierig, wenn man in Richtung externer Lieferanten, z. B. geht, zu wissen, wo sitzen die den? Wo produzieren die denn? Das ist natürlich teilweise, wenn man in Tear one, two, three usw., geht natürlich irgendwann sehr sehr schwierig da den Überblick und die Transparenz zu behalten. Aber im Endeffekt gibt es verschiedene Möglichkeiten und, ich glaube, eine klassische Möglichkeit ist eben einmal sich hinzusetzen und bestimmte Risiken zu identifizieren. Also wirklich zu sagen, ok, ich schaue mir beispielsweise meine Hersteller, meine Lieferanten an und analysiere deren Performance zum Beispiel über die letzten Jahre. Und identifiziere die Lieferanten, die zum Beispiel entweder in den letzten Jahren in ihrer Performance relativ volatil waren oder auch gucke mir speziell die Hersteller und Lieferanten an, die für mich kritische Produkte liefern. Es gibt sicher auch in jedem Unternehmen bestimmte Produkte, wenn da etwas fehlt oder nicht zeitig ankommt, dann steht die Kette still. Und das sind dann so kritische Punkte oder in dem Fall kritische Lieferanten. Genau so kann man das auch mit Lagerstandorten machen, beispielsweise, wenn man ein zentralisiertes Netzwerk hat, dann ist dieses zentrale Lager natürlich umso anfälliger, als wenn ich ein dezentrales System habe, wo ich ggf. auch Bestände verteilen kann, sodass, falls ein Standort ausfällt, ich dann entsprechend über die Anderen meine Lieferkette am Leben erhalten kann.
MAX MEISTER: Ok. Also das heißt, entweder ich gehe über das Produkt oder über eine Analyse, also wie wichtig ist dieses Produkt für mich, bzw. für meine Fertigung, oder alternativ, ich schaue über die Zeit, welche Lieferanten, ja, wann haben sie sich gut entwickelt oder haben sich schlecht entwickelt, bzw. haben sich stark volatil, hast du gesagt, oder stark schwankend gezeigt. Sozusagen ich habe dann drei, vier Schwachstellen identifiziert und dann gilt es natürlich zu bewerten, wo muss ich mir Alternativen aufbauen und vor allem, was dürfen diese Alternativen kosten. Gibt es da irgendwie, ich sage mal, sozusagen 1-0-1, wie man vorgeht oder macht ihr das immer ähnlich? Wie sieht das aus?
DANIEL SIMON: Also genau. Das Thema ist, wenn man diese Risiken identifiziert hat, sie zu bewerten, damit man sie priorisieren kann. Denn nicht jedes Risiko ist es ggf. wert, wie du es richtig sagst, Kosten dafür auszugeben, um Maßnahmen zu entwickeln. Und eine Bewertung von Risiken, auch da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es gibt die/ man kann zum Beispiel die klassische FMEA kann man ganz gut anwenden oder man kann auch ganz einfache Risikobewertungsprozesse machen. Also das kann auch, wie du gesagt hast, eine 1-0-Entscheidung sein, zum Beispiel in verschiedenen Kategorien. Wie hoch ist das Ausmaß dieses Risikos? 1-0. Ist es sehr schlimm für meine Lieferkette oder ist es weniger schlimm. Und es macht da oft Sinn, sich eine Skala zu überlegen zum Beispiel, die meinet wegen nicht von 1 bis 10 geht, weil das viel zu kleinteilig ist, sondern wirklich so wenig wie Möglichkeiten. Professor von mir hat früher auch immer mal gesagt: Am besten kein Mittelpunkt festlegen, weil die Leute sich immer auf den Mittelpunkt/ für den Mittelpunkt entscheiden werden. Also zum Beispiel eine Skala von 1 bis 5. Ist es einfach die 3 zu nehmen. 1 bis 4 ist schwieriger. Wenn man sagt, das Risiko ist kaum relevant, hat geringen Einfluss auf meine Lieferkette, hat großen Einfluss oder hat einen sehr großen Einfluss auf meine Lieferkette. Über solche Skalen kann man dann Risiken bewerten und zusätzlich, was auch ein klassischer Prozess ist, noch die Eintrittswahrscheinlichkeit dazu zu nehmen. Wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit immer sehr schwer zu fassen ist.
MAX MEISTER: Naja, und vor allem, ich sage mal, wenn wirklich so das ist höhere Gewalt oder das sind wirklich einfach Sachen, die man eigentlich überhaupt nicht einschätzen kann. Also, klar, im Nachhinein sagt jeder: Die Pandemie, das war ja klar, dass das irgendwann kommt, aber dass das in der Art gekommen ist, hat ja wirklich auch keiner sehen können. Was mich da trotzdem überrascht ist, wie viele Firmen wirklich keinen Plan B hatten. Also, ich sage mal, für den einfachen Stecker, Steckverbinder, eine einzige Lieferquelle und die sitzt in China. Das war ja wirklich oder das ist teilweise immer noch traumatisch. Wie schätzts du das ein? Gibt es da aktuell schon Entwicklungen, dass das ein wichtigeres Thema wird oder wie ist da der Trend?
DANIEL SIMON: Also es war definitiv so, dass auch so ein bisschen dieses Thema Outsourcing, Kostenersparnis stand über allem in den letzten Jahren. Und Corona war da wirklich so eine Blaupause. Die hat uns allen die Augen geöffnet. Keiner von uns hat damit gerechnet. Vielleicht hat man noch damit gerechnet, dass so eine Pandemie mal kommt, aber sicherlich nicht in dem Ausmaß. Und, ja, es gibt ganz viele Aktivitäten momentan, die speziell zum Beispiel in Richtung Nearshoring wieder zurückgehen. Also raus, zum Beispiel aus dem Lieferanten in China, zurück nach Europa, weil man das hier etwas besser im Griff hat. Natürlich kann es immer irgendetwas passieren. Jetzt stellt man sich einmal vor man wäre in 2020 hätte man angefangen von einem Lieferanten in China meinet Wegen noch einen zweiten Lieferanten in Russland aufzubauen, damit man sich von den Chinesen etwas unabhängiger macht und dann passiert das Nächste, nämlich der Krieg. Und man ist eigentlich von dem Lieferanten in Russland genauso abhängig, wie in China und beides funktioniert nicht. Also das sind natürlich solche Risiken. Das sind Themen die kann keiner vorhersehen. Da kann sich auch keiner wirklich perfekt darauf vorbereiten. Trotz allem gibt es natürlich Strategien und Maßnahmen, die man entwickeln kann, um zumindest einen Plan B zu haben auf den man zurückgreifen kann, sodass man, wenn mal so ein Risiko mal auftritt, man eben eher agiert und nicht reagiert. Und das ist eine Sache, die ist ganz entscheidend beim Supply-Chain Risk Management, sich eben von dieser Reaktion hin in die Aktion zu bewegen. Dass man schneller Entscheidungen treffen kann, wenn so ein Risiko eintritt, weil das Risiko verhindern ist sowieso unmöglich.
MAX MEISTER: Also das sehe ich genauso. Und ich sage mal, wenn man einen Plan B hat, das dauert ja sowieso lange bis man das alles auch wirklich umstellen kann. Aber wenn ich mir erst sozusagen Gedanken darüber machen, wenn der Problemfall eingetreten ist, dann ist das natürlich extrem schwierig. Was mich jetzt noch interessieren würde ist/ jetzt sagen wir mal, wir sind ein technischer Händler. Das heißt wir haben 1500 aktive Lieferanten, aber natürlich haben wir wahrscheinlich die klassische 20-, 80-Prozentverteilung. Wie würdest du denn jetzt, wenn ich jetzt zu dir sage: Komm, lass uns mal das Risiko einmal analysieren, bewerten und dann Alternativen aufbauen. Wie würdest du konkret sowas bei uns beginnen zumindest?
DANIEL SIMON: Ja. Also grundsätzlich ist es immer gut sich dann erstmal hinzusetzen mit den jeweiligen Experten und mal wirklich eine Risikoidentifikation durchzuführen. Also wirklich sich mal hinzusetzen und sich Gedanken darüber machen, welche Risiken könnte es denn für meine Lieferkette geben? Das können wir als Externe nicht machen, weil wir natürlich, ich sage mal, die allgemeinen Risiken die so jedes Unternehmen betrifft die kennen wir zwar, aber jedes Unternehmen hat auch seine eigenen Risiken. Und deswegen ist es ganz wichtig aus meiner Sicht, wenn man das auch zum ersten Mal so macht und zum ersten Mal so ein Risikomanagement Prozess auch aufsetzen möchte, sich mit den jeweiligen Experten auch in eigentlich jeder Abteilung die auf die Lieferkette in irgendeiner Form Einfluss hat. Das startet beim Einkauf, geht über die IT, Logistik, bis hin zum Vertrieb. Alle haben irgendwie Einfluss auf die Lieferkette. Sich mit den jeweiligen Experten hinzusetzen und mal aufzunehmen, welche Risiken könnte es denn geben und die dann in einem nächsten Schritt zu bewerten, sodass man mal ein gutes Bild dafür bekommt, wie anfällig die Lieferkette denn überhaupt ist.
MAX MEISTER: Das heißt aber, im ersten Schritt gar nicht schon auf konkrete Lieferanten bezogen, sondern nur welche verschiedenen Arten, also zum Beispiel, es könnte einen Lockdown geben oder es könnte einen Krieg geben. Oder, also habe ich das richtig verstanden?
DANIEL SIMON: Das wäre eine Möglichkeit. Man könnte natürlich es auch direkt, wenn man sagt, wir wollen erstmal nur die Lieferanten anschauen. Dann aber auch speziell die einzelnen Lieferanten zu checken. Also es gibt zwei Möglichkeiten. Es gibt sozusagen den Ansatz wirklich extern auf die Lieferkette. Welche Risiken gibt es wirklich? Das wären genau die Themen, die du angesprochen hast oder man könnte auch direkt detailliert reingehen und sagen, ok, wir gucken uns unsere Lieferanten an im Rahmen des Lieferantenmanagement und schauen, ok, welche haben sich wie verhalten. Welche Risiken könnte es geben? Welche dieser Lieferanten können wir wie auf einer Skala vielleicht bewerten, um herauszufinden, welche top Lieferanten haben wir und wie gefährdet sind wir dadurch, dass die ggf. nicht mehr liefern können.
MAX MEISTER: Ok. Ich glaube, ich habe das ganze Thema ein bisschen zu eng gesehen. Das heißt, du würdest jetzt, wenn du auf einen Lieferanten/ also du würdest zum Beispiel auch drauf schauen, ich habe einmal den Hersteller. Der ist bei mir der Lieferant. So nennen wir die. Ich habe den Hersteller, aber ich habe unter anderem auch den Transporteur vom Hersteller zu uns und dann würdest du in dem Sinne aber eigentlich sozusagen zwei potenzielle Risikoquellen identifizieren.
DANIEL SIMON: Korrekt. Das könnte sein. Ja, genau. Also es ist natürlich jeder Schritt in dieser Lieferkette, speziell wenn er von einer anderen Partei durchgeführt ist, kann ein neues Risiko bergen. Definitiv. Also es kann natürlich auch sein, dass der Lieferant oder der Hersteller hat alles richtig gemacht und trotzdem kam die Ware zu spät. Und dann hilft es leider nicht, den Lieferanten besser zu überwachen oder einen Plan B für den Hersteller zu haben, sondern es braucht eher einen Plan B für den Transport zwischendrin.
MAX MEISTER: Ok. Das habe ich verstanden. Dann sagen wir mal, ich habe diese Analyse dann einmal für meine Top20-Lieferanten gemacht und auch für die fünf wichtigsten, sage ich mal, Subdienstleister. Also Transporteure, vielleicht Verpackungsmittelhersteller, damit auch überhaupt sozusagen die Produkte verpackt werden können und dann zu uns kommen. Und dann stelle ich mir das so vor wie eine Excel-Tabelle, wo ich sozusagen die untereinander stehen habe und dann verschiedene Werte. Einmal wie hoch ist das Ausfallrisiko? Zum Beispiel 5%. Wahrscheinlich schlägst du die Hände über Kopf zusammen und sagst, das ist schon viel zu viel, aber wie hoch ist das Ausfallrisiko. Und dann macht man noch eine zweite Spalte, wo ich sage, und welchen Effekt hat das auf mein Geschäft. So würde ich mir das Ergebnis ungefähr vorstellen, oder?
DANIEL SIMON: So könnte man das aufbereiten. Ja, genau. Das wäre eine Möglichkeit. Ja.
MAX MEISTER: Ok. Und dann sortiere ich nach höchster Ausfallwahrscheinlichkeit und höchster Impact. Und dann fange ich an, sinnvoll mir Alternativen versuchen aufzubauen.
DANIEL SIMON: Genau. Einen Maßnahmenplan für den Moment in dem dieses Risiko sprich der Ausfall auftritt. Genau.
MAX MEISTER: Und gibt es irgendwelche/ also du hast jetzt gerade sehr abgezielt auf den Moment, weil wenn ich das richtig sehe, ändern sich ja die Rahmenbedingungen. Gibt es da irgendwelche Tools oder Methoden, wie man das versucht auch eigentlich kontinuierlich mit tracken kann?
DANIEL SIMON: Also es gibt Anbieter auf dem Markt die alles Mögliche an Lösungen anbieten. Das geht von einer Software zum Beispiel, die eingeführt wird, die dann verschiedene Aufgaben hat. Also es gibt auch solche Software, die auch sozusagen die ganze Welt trackt und was gerade wo passiert und dann früh genug sozusagen eine Meldung schaltet, wenn zum Beispiel klar ist, ok, die Evergiven steckt fest, dann kommt halt die Meldung, ploppt dann halt direkt auf, sodass man relativ zeitnah reagieren kann. Speziell für Lieferanten, das weiß ich jetzt leider nicht genau, ob es da Anbieter gibt. Ich gehe aber immer schwer davon aus, aber grundsätzlich, und da sprichst du auch einen ganz validen Punkt an, macht das Thema Supply-Chain Risk Management natürlich vor allen dann Sinn, wenn man es kontinuierlich wiederholt, bzw. kontinuierlich aktualisiert, weil wie du richtig gesagt hast, die Welt ist ständig im Wandel. Es kann immer wieder irgendwas passieren. Auch die Lieferanten werden sich ändern. Werden vielleicht besser, werden vielleicht schlechter, die Ausfallwahrscheinlichkeit könnte sich ändern. Auch allein basierend darauf, wo sie ihre Produktion haben, kann sich was verändern. Also das ist sicherlich etwas, wo der Mehrwert eines Supply-Chain Risk Management erst so richtig zum Tragen kommt, wenn man es kontinuierlich wiederholt.
MAX MEISTER: Also man muss da sagen, warum habe ich mich damit beschäftigt, weil wir haben bei uns jetzt einen eigenen Bereich sozusagen auf LudwigMeister.de/, ich glaube, Versorgungsrisiko oder sowas, wo wir einfach nur unsere Dialoge, die wir mit den Lieferanten haben, veröffentlichen, weil wir alle unsere Lieferanten angefragt haben: Kriegen wir ein Problem wegen dem Krieg in der Ukraine. Und es ist natürlich einfach nur ein sozusagen eine Momentaufnahme. Und das müssen wir, glaube ich, langfristig auch versuchen kontinuierlicher zu tracken und zu überwachen. Weil das kann ja in sozusagen in zwei Monaten schon wieder ganz anders aussehen.
DANIEL SIMON: Definitiv ja.
MAX MEISTER: Also, wie siehst du denn, wenn ich an das Thema Ausfallrisiko in der Supply-Chain denke, dann habe ich mehrere Sachen. Das eine ist für mich diese Chipkrise, also wo ich einfach/ da sehe ich überhaupt keinen Ausweg. Und ich sage jetzt mal, dass ich keine PlayStation 5 bekomme, das ist ja das kleinste Problem. Wie siehst du da die Entwicklung?
DANIEL SIMON: Speziell bezogen jetzt auf Chipkrise?
MAX MEISTER: Ja.
DANIEL SIMON: Ja, also das ist natürlich etwas, was gerade bestimmte Hersteller ganz extrem betrifft. Wie das natürlich sich in den nächsten Jahren entwickeln wird, das kann ich natürlich auch nicht vorhersagen, aber ich glaube, es öffnet einmal mehr uns die Augen, wie abhängig wir von bestimmten Herstellern, bestimmten Ländern, bestimmten Bereichen sind. Und das zeigt eigentlich mir nur mehr, dass es wichtig ist, sich immer wieder kontinuierlich Maßnahmen und Lösungen zu überlegen für etwas, was noch gar nicht da ist, aber eben sich vorzubereiten. Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wir merken, in unserer Welt da ist so viel im Wandeln, da ist so viel im Argen. Da kann täglich kann sich irgendwas ändern und darauf müssen wir uns einfach vorbereiten. Und die Möglichkeiten schaffen, dass wir darauf dann auch reagieren können, bzw. wie ich vorhin gesagt habe, agieren können. Wenn solche Probleme dann aber auch langfristig bei uns bleiben. Auch der Ukrainekrieg, da ist im Moment nicht abzusehen, wie lange das dauert. Das könnte noch Monate so weitergehen. So tragisch das wäre. Da muss sich jedes Unternehmen darauf einstellen.
MAX MEISTER: Ok. Also das heißt, auch wenn sich die Lage vielleicht in dem Chipmarkt entspannt, ist deine These oder deine Überzeugung, das Wichtigste ist, dass man eigentlich ein System entwickelt, wie das jede Firma mit dem nötigen Aufwand, man muss es ja nicht übertreiben sozusagen, aber dass man einfach das kontinuierlich mitbewertet. Der Eindruck sozusagen den habe ich auch, weil ich frage mich zum Beispiel schon, wie das sein kann, dass es irgendwie nur eine Quelle für Kabelbäume gibt. Da denke ich mir, also Entschuldigung, das haben wir doch jetzt in der Coronakrise schon gesehen, dass das extrem wichtig ist, dass man sich eben mindestens mal auf zwei Füße stellt.
DANIEL SIMON: Ja. Das ist so ein bisschen/ auch die Bequemlichkeit des Menschen sozusagen. So lange etwas gut läuft braucht man ja nicht überlegen, wie es wäre, wenn es nicht so läuft. Und das ist so ein bisschen dieser Trott, in dem wir in den letzten Jahren waren und den wir jetzt verlassen müssen, zwangsläufig. Und der uns und alle Unternehmen dazu zwingt, darüber nachzudenken, wie es auch anders gehen kann. Und auch hoffentlich neue kreative und innovative Lösungen zu entwickeln, denn aus solchen Krisen oder Problemen heraus entstehen oftmals auch die besten Ideen. Wenn man gezwungen ist zu handeln. Und da baue ich definitiv drauf, dass wir uns in den nächsten Jahren, speziell hier in Deutschland, der eigentlich Logistikweltmeister sind, da auch innovativ vorangehen und uns Ideen entwickeln und Sachen überlegen, wie wir mit diesen neuen Situationen auch dann zukünftig weiter umgehen können.
MAX MEISTER: Also gibt es da irgendwie einen oder gibt es da eigentlich eine Möglichkeit, wie man sich über diese neuen oder kreativen Ansätze bisschen up to date bleiben kann? Habt ihr da mehrere Whitepapers, wo man bisschen reinschauen kann oder wie ist das?
DANIEL SIMON: Wir entwickeln da kontinuierlich auch an Ideen und an Möglichkeiten. Die sind natürlich immer so ein bisschen speziell auch auf das was wir bei Miebach generell machen. Also speziell auf das Thema Netzwerk ausgerichtet. Wir sind ja weniger eine Einkaufsberatung oder beschäftigen uns wenig jetzt mit dem Thema Lieferanten, sondern wir betrachten ja immer die Gesamtnetzwerke und da entwickeln wir natürlich auch kontinuierlich weiter und das machen die anderen Beratungen aber genauso. Ich glaube, gerade aus den Beratungen werden da, und auch hoffentlich aus der Wissenschaft, gerade aus den Universitäten, werden da sicherlich viele Ideen kommen, wie man mit dem Thema umgehen kann. Also gerade in USA gibt es da verschiedene, ich sage mal, Unternehmen, auch Marktforschungsunternehmen, auch ganz bekannte, die da wirklich kontinuierlich Sachen veröffentlichen, wo sehr interessante Ideen und Ansätze mit dabei sind. Ja.
MAX MEISTER: Ok. Also tatsächlich, das würde ich interessieren, vielleicht kann man das auch noch in die Shownotes packen, weil tatsächlich ist es so, es wäre ja schön, wenn wir sozusagen egal wie schwierig die Situation ist, das tatsächlich als Chance nutzen und einmal, du hast vorhin Nearshoring, glaube ich, genannt. Das heißt sozusagen eigentlich eher wieder in Richtung Regionalität. Regionale Anbieter. Und auf der anderen Seite könnte es auch wirklich eine Chance auch für die Umwelt sein, wenn man eben nicht immer das günstigste Teil mit einer extremen volatilen Supply-Chain von irgendwo aus der Welt holt, sondern vielleicht wirklich in der Region die Teile produziert.
DANIEL SIMON: Definitiv. Also das wäre auch eine riesen regionale Chance. Das Ganze. Auch, um hier, wie du sagst, regionale Anbieter, Lieferanten, Hersteller, etc. auch wieder zu stärken und natürlich auch uns als, ich sage mal, als EU jetzt, also ganz Europa, auch wieder weiter wirtschaftlich voranzubringen. Also das Ganze bietet immer auch eine Chance. Klar, es ist mit Kosten verbunden, aber Supply-Chain Risk Management, und das ist so bisschen der Knackpunkt an dem Ganzen, ist immer mit Kosten verbunden, weil man immer investieren muss. Für etwas, was man im Best Case nie brauchen wird.
MAX MEISTER: Wobei ich tatsächlich glaube, also das könnte ich mir zumindest vorstellen, wenn wir das gut machen, dann unterstützt das auch in Zukunft unseren Vertrieb, weil wir das dann auch wirklich als Argument in Richtung des Kunden verwenden können. Man kann sagen, wir versuchen immer auch einen Plan B in der Tasche zu haben. Also dementsprechend lohnen sich diese Kosten vielleicht auch, wenn der Fall nie eintritt. Also das könnte ich mir schon gut vorstellen.
DANIEL SIMON: Ja, definitiv.
MAX MEISTER: Ich habe heute früh bei Twitter einen langen Thread gelesen über die Folgen von der Zero-COVID-Politik in China. Das ist vielleicht so eigentlich das Letzte was mich aktuell noch umtreibt, oder eines der letzten größeren Themen. Da habe ich echt große Sorgen, dass wenn ich diesen/ allein diesen Schiffsstau da vor Shanghai sehe, dass wir das noch überhaupt noch nicht absehen können, was da an Supply-Chain-Themen auf uns zukommt. Wie siehst du das?
DANIEL SIMON: Sehe ich absolut genauso. Also, wenn man allein nur darüber nachdenkt, dass Shanghai fast bald vier Wochen lang im Lockdown ist und richtiger Lockdown. Nicht so, wie das bei uns vorher war. Das war im Vergleich zu dem, was die in China machen, kein richtiger Lockdown. Definitiv. Also, was da auf uns zukommt. Es kommt natürlich bei uns immer zeitversetzt an. Und wir hatten schon Ende letzten Jahres und Anfang diesen Jahres hatten wir schon Containerprobleme. Die Containerpreise sind explodiert, die Schiffe haben sich zurückgestaut, Ware kam nicht mehr an. Das wird absehbar auf die nächsten Monate immer schlimmer. Also da kommt sicherlich noch ein riesen Problem auf uns zu. Ja nicht nur, dass sich die Containerschiffe stauen und bestimmte Ware nicht mehr ankommt, sondern es wird ja auch irgendwann dahin zurückgehen, dass Produktionen in China einfach stillstehen über mehrere Tage oder Wochen, sodass auch gar nicht mehr die Produkte erst zum Container kommen. Das heißt, die Zeitverzögerung wird noch länger sein. Also da wird definitiv noch etwas auf uns zukommen, was aus Transportsicht ganz extreme Folgen haben wird.
MAX MEISTER: Da bin ich heute früh tatsächlich bisschen erschrocken. Ok, ich versuche das nochmal kurz zusammenzufassen. Wichtiger ist als eine möglichst genau einmalige Analyse eigentlich sich ein System zu bauen und das System sollte so aussehen, dass man regelmäßig die Risikoarten und vielleicht auch die sozusagen Risikoverteilung pro Lieferanten, dass man das kontinuierlich sich anschaut. Dann, dass man das bewertet und dann Alternativen aufbaut. Hängt sowas normalerweise im Einkauf oder im Qualitätswesen oder wie würdest du sowas organisatorisch aufhängen?
DANIEL SIMON: Also vielleicht noch ein kurzer Satz zu dem was du gesagt hast: Wir haben zwar jetzt viel über Lieferanten gesprochen, aber es ist ja nicht nur lieferantenbezogen. Man sollte das schon auch auf die gesamte Kette, speziell auf alles was innerhalb der eigenen Kette, sprich des eigenen Unternehmens innerhalb der vier Wände sozusagen passiert. Also auch wo sind meine Lagerstandorte? Wie gefährdet sind die usw. Aufhängen, je nachdem was der Fokus ist, wenn es um das Thema Lieferanten geht, dann ist es sicherlich im Einkauf auch gut platziert. Ansonsten sehe ich das eher im Thema Supply-Chain Management. Je nach Größe des Unternehmens gibt es auch wirklich Supply-Chain Management Abteilungen mit Supply-Chain-Managern. Bei denen ist es eigentlich am besten aufgehangen, weil die normalerweise den Gesamtüberblick haben, den es für dieses Thema braucht. Es gibt auch Unternehmen, die das als eigene Abteilung implementiert haben. Also die haben eine Abteilung Supply-Chain Risk Management, die sich auch nur um diese Themen kümmert.
MAX MEISTER: Ok. Dann vielleicht, weil ich es wirklich immer eher auf unsere Lieferkette beziehe, bzw. auf unsere Hersteller. Vielleicht kannst du zum Abschluss noch einfach ein paar Themenbereiche nennen, die man auch intern berücksichtigen sollte. Also ein Thema zum Beispiel bei uns ist, wir haben in unserem Zentrallager haben wir ein eigenes Notstromaggregat, wir haben zwei Internetleitungen. Einmal Kupfer, einmal Glasfaser. Solche Themen sind eigentlich auch Supply-Chain Risk Management Thema, oder?
DANIEL SIMON: Auf jeden Fall. Also da geht es einmal zum Beispiel um das Ganze Thema IT. Auch Server zum Beispiel. Was ist denn, wenn meine Server ausfallen? Dann bin ich ggf. nicht mehr erreichbar. Und das kann auch mal ein paar Tage so gehen. Da bin ich weder für meine Lieferanten noch für meine Kunden erreichbar. Das ist auch so ein Risiko, was man überwachen sollte. Und dann geht es natürlich zum einen um das ganze geographische Thema. Das spielt natürlich jetzt eher so eine Rolle, wenn man eher in exotischere Länder geht. Wobei, wir haben letztes Jahr das Hochwasser gehabt. In Deutschland. Selbst da bei ZF zum Beispiel stand die Produktion dort still. Also auch da, selbst bei uns in Deutschland, gibt es Themen, geographisch. Und natürlich dann auch noch innerhalb des Unternehmens geht es natürlich auch so ein bisschen um das Personal. Auch Know-How, was mir abwandert, ist ein Risiko, wofür ich eigentlich eine Lösung und eine Maßnahme brauche, weil das kann tiefgreifende Veränderungen bei mir im Unternehmen auch provozieren, auf die ich gut vorbereitet sein sollte. Also das sind so Themen. Es gibt wirklich von IT über das Personal oder dann eben auch generell die Logistik, so wie du das gesagt hast. Mein Lager hat ein Notstromaggregat. Das ist super. Damit ist schonmal ein Risiko minimiert. Aber es gibt natürlich auch noch viele andere. Produktionsmaschinen oder ein gängiges Beispiel, was ich sehr oft auch anwende, ist das Thema Feuer. Was ist denn, wenn in meiner Lagerhalle ein Feuer ausbricht. Das könnte theoretisch jeden Tag passieren. Was ist denn dann? Habe ich Ersatzbestände irgendwo anders? Pufferbestände? Also das sind solche Fragen, die auch innerhalb des Unternehmens, ohne dass jetzt da jemand aktiv von extern eingreift, durchaus relevant sind und Überwachung auch nötig machen.
MAX MEISTER: Ja, also das sind auf jeden Fall extrem spannenden Fragen. Weil ein paar davon gestehe ich, habe ich mir noch nicht mal gestellt. Es macht auf jeden Fall Sinn, dass man sich da noch tiefer eindenkt. Ich würde dein, oder wir packen dein LinkedIn-Profil auch in die Shownotes. Grundsätzlich sozusagen würde mich freuen, wenn du da ein bisschen auch über die kreativen Lösungen sozusagen, wenn du da bisschen was posten würdest, weil an dem Thema möchte ich auf jeden Fall dranbleiben. Weil, ich glaube, es ist extrem wichtig und wir müssen gucken, dass wir das als Chance nutzen. Das ist einfach, glaube ich, echt/ eigentlich die Hauptaufgabe in dem Thema. Ja, also ich habe auf jeden Fall jetzt in unserer kurzen Reise durch das Thema schon einiges gelernt und vielleicht können wir es so machen, wenn du in den nächsten Monaten oder auch ein bisschen später auf ein wirklich spannendes Beispiel noch stößt, wo du sagst, Mensch, das ist echt als Chance genutzt worden, dann können wir vielleicht nochmal eine zweite kurze Episode machen. Weil, ich glaube, das Thema ist noch nicht so auf der Agenda, wie es eigentlich sein sollte.
DANIEL SIMON: Sehr sehr gerne. Ich bin immer bereit, über das Thema zu sprechen. Ich finde es auch persönlich hoch spannend, weil es so viele Bereiche auch einfach verknüpft. Und das können wir gerne machen.
MAX MEISTER: Ok. Super. Dann, Daniel, vielen Dank und dann wünsche ich dir zwar gute Auftragseingänge, also dass sich viele bei dir melden, aber vor allem, dass die Supply-Chains ein bisschen stabiler werden.
DANIEL SIMON: Vielen Dank.
MAX MEISTER: Danke.
DANIEL SIMON: Tschüss.