Going China – ein Erfahrungsbericht

Max im Gespräch mit Prof. Dr. Ing. Johannes Fottner, Leiter Lehrstuhl FML TUM, München

„Der einzige und große Auslöser, der uns in diesen Markt gebracht hat war, nicht etwa die Lohnkostenstruktur, sondern was für ein unglaublicher Markt dort vorherrscht,“ sagt Professor Fottner über das von ihm als Geschäftsführer geleitete „China Abenteuer“ des Unternehmens MIAS. MIAS, damals familiengeführter klassischer Mittelständler im Maschinenbau, gehört heute zur Jungheinrich-Gruppe.

Eine spannende Folge unseres Podcasts, vor allem für jeden interessant, der sich,  fragt, wie funktioniert in China z.B. Recruiting? Wie kann man überhaupt und vor allem die richtigen Lieferanten finden? Was für Kunden gibt es da? Wie entwickelt sich die Industrie? Auf was muss man achten und vor allem, wenn man jetzt ein Werk in China machen würde, was wäre der konkret erste Schritt?

Prof. Fottner: „Ich war jeden zweiten Monat, ein bis zwei Wochen in China und durfte die guten und die schlechten Seiten Chinas, gut kennenlernen.“

Beim ersten Podcast mit Prof. Fottner (Podcast #7) haben wir das Thema China und Prof. Fottners „Botschafterrolle“ in Sachen  Zusammenarbeit mit China bereits kurz gestreift. Und auch sofort vereinbart, eben diese Geschichte zum nächstmöglichen Zeitpunkt vertiefend zu behandeln. Hier nun die Einblicke, wie Prof. Fottner ein Werk für die Firma MIAS in China aufgebaut hat.

Wir wünschen Euch viel Freude beim Hören.

 

Transskript

Transskript/Links 

MAX: Willkommen zu „Max und die Supply Chain Helden“, Deinem Unternehmerpodcast zum Thema “Einkauf und Logistik im digitalen Wandel”. Gedanken, Erfahrungen und vor allem Erkenntnisse aus dem Bereich Supply-Chain-Management, ganz ohne Beratermission. Einfach, verständlich, eben aus Unternehmersicht. Ich bin Max Meister und wünsche Euch viel Spaß.

Ja hallo, heute gibt es eine Folge aus Dachau. Ich hatte wieder den Professor Fottner zu Gast und wir haben ein bisschen darüber gesprochen wie er ein Werk für die Firma MIAS in China aufgebaut hat. Und ich glaube, die Folge ist für jeden interessant, der sich, so wie ich fragt, wie funktioniert in China Recruiting? Wie kann man so Lieferanten finden? Was für Kunden gibt es da? Wie entwickelt sich die Industrie? Auf was muss man achten und vor allem, wenn wir jetzt ein Werk in China machen würden, was aktuell nicht geplant ist, was wäre der konkret erste Schritt? Also das ist keine klassische Supply Chain-Folge, aber ich glaube, dass das Thema einfach sehr interessant ist. Und ich würde mich wie immer freuen, Feedback an Max@supplychainhelden.de. Und wenn Ihr andere Themen habt, die ich zusammen mit dem Herrn Professor Fottner mal ein bisschen erörtern soll, dann schreibt uns das einfach, weil diese Podcasts machen echt viel Spaß und ich glaube da kommt guter Inhalt rüber. Also meldet euch, ja. Viel Spaß!

MAX: Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von „Max und die Supply Chain Helden“. Heute sitzt bei mir wieder Professor Fottner von der TU in München und über welches Thema wir sprechen, erzählen wir gleich. Ich möchte noch Feedback geben zur ersten Folge, wo wir über das Thema “Start Up Logistik” gesprochen haben. Da habe ich einiges an Rückmeldung bekommen und auch ein paar Anregungen noch. Also das könnte durchaus sein, dass ich mich nochmal melde und dass wir da vielleicht auch nochmal einsteigen. Ja, herzlich willkommen. (Professor Fottner: Danke.) Wir haben beim letzten Podcast auch einiges über das Thema China und dass Ihnen die Zusammenarbeit da auch am Herzen liegt, gesprochen. Und da habe ich mir gedacht, vielleicht können wir da einfach nochmal tiefer einsteigen und bevor wir das machen können Sie ja nochmal den Hörerinnen und Hörern erklären, warum Sie überhaupt berufen sind oder sich berufen fühlen, dazu ein bisschen was beizutragen, ja.

Professor Fottner: Ja, sehr gerne. Ich bin ein relativ spät berufener in diesem Fall. Ich habe, also China tatsächlich erst im Jahr 2006 überhaupt kennengelernt im zarten Alter von dann doch schon 35. Aber der spannende Abschnitt, wo ich China richtig gut kennenlernen durfte, war dann im Jahr 2008, 2009 als ich für meinen damaligen Arbeitgeber, ich war Geschäftsführer bei MIAS GROUP, ein Werk und eine Vertriebsorganisation in China aufbauen sollte. Wir haben eigentlich immer schon gesehen, der Markt ist groß. Lass uns mal überlegen, wo wir hingehen wollen und habe dann gemeinsam mit einem chinesischen Geschäftsführer, der am Anfang für uns die Produkte als Händler verkauft hat, aber immer schon geplant hatte auch in unserer Organisation einzusteigen, haben wir dann gemeinsam dort eine Organisation aufgebaut. Und ja das hat mich tatsächlich bis zum dem Augenblick begleitet, wo ich dann die Professur übernommen habe. Ich war jeden zweiten Monat, ein bis zwei Wochen in China und durfte die guten und die schlechten Seiten Chinas, gut kennenlernen.

MAX: Okay. Also für mich ein super spannendes Thema. Also ich habe jetzt zwar nicht vor ein Kugellagerwerk in China aufzubauen, aber vielleicht müssten Sie nochmal kurz beschreiben, was die Firma MIAS macht und vor allem was auch so die Tätigkeiten in dem Werk später in China waren? Damit wir so einen Eindruck davon bekommen und dann würde ich gerne einfach mal das Projekt im Detail ein bisschen durchgehen, wie so etwas funktioniert. (Professor Fottner: Gerne.) Also was hat die MIAS gemacht?

Professor Fottner: Also ganz grob überrissen, die MIAS ist ein ganz klassischer, damals Familiengeführter Mittelständler, Maschinenbauunternehmen gewesen. Heute gehört es zur Jungheinrich-Gruppe, seit 2015. Aber zu der Zeit, als wir diesen Schritt nach China gegangen sind, war Wolfgang Büttner mit mir gemeinsam die Geschäftsführung und Wolfgang Büttner war auch der Eigentümer der MIAS. Produkte, Komponenten für Logistiksysteme, aber wirklich sehr mechanische Komponenten, also sogenannte Teleskoptische. Das sind die beiden Zinken, die die Palette dann ins Regal reinschieben. Wenn man von dem Regalbediengerät in ein Regal übergibt und Regalbediengeräte selber. Also sprich vertikale große Kräne, die durch große Hochregallager auf Schienen geführt fahren. Also schwerer Stahlbau und Maschinenbau.

MAX: Aber es ist jetzt nicht, also riesige Stückzahlen pro Element, sondern, damit man so ein Logistik Gerüst hat, was war da so Input oder was kam an Produkten raus?

Professor Fottner: Also Teleskoptische waren wir übrigens Weltmarktführer mit ungefähr 2000 Einheiten, die wir damals pro Jahr gebaut haben. Heute sind es um die viereinhalbtausend Einheiten und davon ein Großteil für chinesischen Markt tatsächlich. Bei Regalbediengeräten war, als ich dort angefangen habe, die Stückzahl noch viel kleiner. Da haben wir 35 Geräte pro Jahr gebaut. Heute etwa, ja um die 150 bis 200.

MAX: Also ich habe die Anlagen auch schon im Betrieb gesehen. Also das sind zum Teil ziemlich große Einheiten. Also das finde ich nur einfach wichtig, weil das was anderes ist, als wenn ich ein iPhone in China baue. Das ist Spezialmaschinenbau mit relativ großen Produkten, die am Ende auch rauskommen.

Professor Fottner: Ja, wobei man sagen muss, gerade im chinesischen Markt, wir haben begonnen mit den Teleskoptischen. Als ich bei der MIAS begonnen habe, waren wir alle der Meinung, das ist Sondermaschinenbau, weil jedes Mal musste man ein bisschen was konstruktiv verändern, was auch wirklich ausschlaggebend ist für die, warum wir überhaupt nach China gegangen sind. Aber tatsächlich es ist eigentlich ein variantenreiches Serienprodukt. Das heißt, die Produkte schauen relativ ähnlich aus, bestehen auch häufig aus eigentlich den gleichen Komponenten, müssen aber aus Gründen, um ins Gesamtsystem zu passen, immer wieder konstruktiv angefasst werden. Werden also nicht irgendwie einfach bloß in einer großen Stückzahl quasi auf Halde produziert, sondern für den Kunden jeweils angepasst.

MAX: Also made to order. Es wird wirklich nur gebaut, (Professor Fottner: Genau.) wenn die Aufträge da sind und dann wird es individualisiert. Der Standardbereich wird ergänzt mit kleineren individuellen Komponenten oder-.

Professor Fottner: Einfach konstruktiven Änderungen. Es wird mal was an einer anderen Stelle verbaut oder die Halterung, wo es an die Umgebung festgeschraubt wird, verändert sich. Und das war eigentlich tatsächlich einer der ausschlaggebenden Gründe, warum wir überhaupt nachgedacht haben nach China, wir haben auch ein kleines Werk in den USA, warum wir da überhaupt hingehen. Weil einfach die Transportzeit verglichen mit der Gesamtlieferzeit, viel zu lang gewesen wäre. Und wenn man gerade, ja, für den Kunden engineerten Produkte schlagkräftig verkaufen möchte, auch kundenorientiert verkaufen möchte, muss man eine kurze Lieferzeit realisieren können, da ansonsten der Kunde viel zu früh sein eigenes Design Freeze hat.

MAX: Also das heißt, der eigentliche Grund für das Werk vor Ort war, Sie haben damals wahrscheinlich prognostiziert, dass der Markt dort sich entwickelt und dass die Produkte in der Region gebraucht werden. Das heißt, auch heute ist es noch so (Professor Fottner: Absolut), dass die Produkte schwerpunktmäßig auch in Asien dann verbaut werden.

Professor Fottner: Nicht nur schwerpunktmäßig, sondern zu 100 Prozent. Also es war immer der Plan in China das zu produzieren, was auch, ich sage jetzt mal, in Asien, also sprich Korea, Japan und China verbaut wird. Mehrheitlich in China. Es war nie der Plan, dass das, was vorher in München produziert wird, wird heute auch noch in München produziert. Also es macht gar keinen Sinn, weil die Argumentation ja andersrum wieder falsch ist. Also wenn ich jetzt in China baue, hätte ich wieder viel zu lange Lieferzeiten für den europäischen Markt. Also man muss diese Produkte einfach relativ marktnah produzieren. Der einzig und große Auslöser, der uns in diesen Markt gebracht hat war, nicht etwa die Lohnkostenstruktur, sondern was für ein unglaublicher Markt dort vorherrscht.

MAX: Das verstehe ich, sage ich mal, vom Grundsatz her. Hört sich absolut logisch an. Wenn ich jetzt heute darüber nachdenke. Sie haben gesagt, Sie haben damals einen Händler oder einen Vertreter dort gehabt. Wie hat der eigentliche Start funktioniert? Also als die Entscheidung gefallen ist, wir wollen ein Werk in China aufbauen. Was waren die nächsten Schritte?

Professor Fottner: Ich muss sogar ein bisschen anders anfangen und sagen, also dieser Händler hat irgendwann gesagt: „Hey, ihr habt coole Produkte. Die würde ich gerne in China verkaufen.“ Und hat dann auch so ein paar davon immer wieder verkauft. Da haben wir sehr beschauliche Umsätze gemacht. Ein paar hunderttausend Euro im Jahr. Und wir haben dann aber gemeinsam mit ihm gesagt, Mensch der Markt ist doch so groß, da muss doch was Besseres gehen. Und er hat von vorne rein gesagt, ja, aber dazu müssten wir eine eigene Organisation in China haben. Das hat mehrere Gründe. Nämlich zum einen eben die genannten Lieferzeiten. Zum anderen aber auch ganz klar, dass China einfach zu einem gewissen Grad einfach braucht, dass ein Gesicht in diesem Markt vorhanden ist und zwar nicht nur das vom Händler, sondern das Gesicht des Unternehmens im Markt vorhanden ist. Als ich 2008 begonnen habe, hat der Wolfgang Büttner relativ zügig gesagt: „Wenn zwei Geschäftsführer hier tätig sind ist es immer gut, wenn es Unterscheidungsmerkmale gibt in den Aufgabenbereichen. Lass uns doch uns regional unterscheiden. Europa machen wir gemeinsam. Das ist groß genug.“ Er war der Kaufmann, ich der Ingenieur. Und dann hat er gesagt: „Ja und dann gibt es noch die Regionen USA und Asien. Ich mache USA.“ Und damit war klar, was ich mache.

MAX: Okay. Eine klare Regelung. Und wie hat sich das dann entwickelt als die Entscheidung gefallen ist? Wie war das, dass der Händler vor Ort, wie konnte der helfen? Weil ich stelle mir das einfach vor, wenn man niemanden hat, wie fange ich so etwas überhaupt an? Also das-.

Professor Fottner: Sehr schwer. Also ich war vorher tatsächlich nur zweimal in China und dort aber noch zu einer Tätigkeit, als ich ein anderes Produkt selber verkauft habe. Einfach bei Kundenbesuchen. Kannte also das Land überhaupt nicht. Und ich hatte das große Glück, Mittelständler sind relativ gut miteinander vernetzt, denn Mittelständler hören nur auf Mittelständler. Das ist eine eiserne Regel. Großkonzern ist böse. Also bin ich einfach mal in das Flugzeug gestiegen, habe mich dann von unserem Händler in Shanghai vom Flughafen abholen lassen und wir haben zum einen einfach mal ein bisschen China kennengelernt. Damit meine ich jetzt einzig und allein nur den Großraum Shanghai. Er hat mir mal gezeigt, wie so seine Kunden ausschauen. Das waren ein paar Automotive Companies. Das waren Logistiksystemintegratoren und auch gemischt andere Firmen, die einfach viel Fahrradtechnik gebraucht haben und auch solche Komponenten immer mal eingesetzt haben. Ja und dann habe ich aber geguckt, wen kenne ich denn aus meinem Netzwerk. Dann gibt es ja so Einheiten, wie die Außenhandelskammer. Also die AHKs, die überall angesiedelt sind. Es gibt die Unternehmerverbände. Es gibt wirklich jede Menge Leute, die man mal ansprechen kann. Und tatsächlich war es eigentlich recht schnell so, dass wir gesagt haben, wir wollen hier eine eigene Geschäftseinheit. Dann braucht man in China eine Business License. Die muss man beantragen. Da hat uns damals die AHK unterstützt. Jetzt sage ich einen Satz, den, die Anwälte, werden mich dafür steinigen, ich habe tatsächlich keinem einzigen Anwalt auch nur einen einzigen Euro überweisen müssen, während dieser ganzen Phase, sondern das hat-. In USA müsste man sehr viel Geld für Anwälte bezahlen in so einem Prozess. In China geht das ohne Anwalt. Man wird von vielen Stellen wirklich gut unterstützt.

MAX: Okay. Ja spannend. Hätte ich mir jetzt ganz anders vorgestellt. (Professor Fottner: Ja, ich war selber einigermaßen überrascht, aber es hat wirklich viel, viel Erfahrung auch gebracht. Ich habe viele Fehler vermeiden können, weil mir einfach andere Leute erzählt haben, wie es geht.) Und wo haben Sie das Werk dann gegründet oder wo haben Sie die Firma gegründet?

Professor Fottner: Mein Geschäftsführer, späterer Geschäftsführer, früherer Händler, der wollte, weil er in Shanghai eine Wohnung hatte, ganz gerne in Shanghai bleiben. Da wollte ich aber nicht unbedingt sein, denn Shanghai ist wirklich ein Moloch und auch vergleichsweise teuer. Wir haben uns dann entschieden mal in die Umgebung von Shanghai zu gucken und da war damals der Geschäftsführer oder der Leiter der AHK in Shanghai Bernd Breitmeier, der gute Kontakte hatte zu einem sogenannten German Industrial Park in Kunshan. Kunshan ist eine Stadt, eigentlich ein Stadtteil von Suzhou, das etwas abseits von Shanghai liegt. Kunshan selber hat glaube ich inzwischen auch etwa vier Millionen Einwohner. Ist aber trotzdem nur ein Stadtteil von einer Stadt und ist also wirklich eine bedeutende Region, wo relativ viel Ansiedlung von internationaler Industrie ist. German Industrial Park hat nichts mit Deutschland zu tun, sondern es war einfach das Ziel mehrheitlich einfach ausländische Investoren zu kriegen. Es wurde organisiert von der Community. So einen Industrial Park muss man sich vorstellen, da geht irgendein Investor her, sind meistens auch die Communities selber und bauen einfach mal 20, 30 Fabrikhallen auf. Und in die kann man dann rein. Man hat die ganze Infrastruktur dort zur Verfügung. Man muss sich nicht um irgendwas kümmern. Da hat mich damals der Bernd Breitmeier hingeführt mit dem Ergebnis, dass mein Geschäftsführer gesagt hat: „ Nein, Erstens ist es so weit draußen. Da will ich nicht hin und überhaupt wir brauchen eine große Fabrik.“ Ich kürze jetzt die Geschichte ab. Wir haben uns dann nach einigen Diskussionen konstruktiver Natur darauf geeinigt, doch wir gehen nach Kunshan und waren jetzt erst mal bei der Firma Kabelschlepp als Untermieter in der Halle mit 500 Quadratmeter plus eineinhalb Büros. Das war der Start der MIAS Kunshan.

MAX: Okay. Wie weit ist das, wenn ich jetzt da in Pudong lande, wie weit ist das mit dem Auto oder mit dem Zug?

Professor Fottner: Also im Normalfall circa eineinhalb Stunden von Pudong aus. In die Shanghaier Innenstadt braucht man zwischen einer Stunde und fünfeinhalb Stunden oder so. Das kommt je nach Verkehrslage der Stadt Shanghai an, aber das Schöne ist, man kommt von Pudong eigentlich relativ gut außen herum über die Highways nach Kunshan. Auch die Schnellbahnstrecke war für uns tatsächlich wichtig. Die wurde zwar erst im Nachhinein gebaut, aber die Schnellbahnstrecke von Shanghai nach Beijing geht über Kunshan.

MAX: Ah okay. Gut, dann kann man sich das ungefähr von der (Professor Fottner: Lage her.) Lage her) vorstellen. (Professor Fottner: Genau.) Also, ich sage jetzt mal so. Man hat dann 500 Quadratmeter Lager, aber Sie haben noch nichts eingekauft und Sie haben auch noch nichts produziert. Was ich mich frage, ist, wie fängt man da an (Professor Fottner: Ja.), weil ich brauche ja in irgendeiner Form muss ich die ganzen Komponenten, die dann verbaut werden, muss ich irgendwo her besorgen. Ich muss Lieferantenstrategien aufbauen. Wie macht man das ganz konkret?

Professor Fottner: Ja, ich hatte ja angedeutet, ich habe einen kleinen Zeitsprung gerade eben unternommen. Also in etwa im April 2008 war mein erster Besuch in Shanghai mit dem Plan. Und 2009 im Dezember haben wir die Business License bekommen und dieses Werk, das ich gerade beschrieben habe war aber da schon quasi vorbereitet und einen Monat später im Januar 2010 haben wir ein Feuerwerk angezündet vor unserem Werk. Das ist in China die traditionelle Eröffnung von so einem Werk. In der Zwischenzeit, was haben wir da gemacht? Also, ich war wie gesagt, spätestens alle zwei Monate dort und jeder dieser Besuche sah so aus, dass wir immer die gleiche Agenda hatten. Nämlich einen potentiellen Zulieferer kennenzulernen, einen potentiellen Kunden und jetzt kommt es, geht in China auch, und einen potentiellen Wettbewerber zu besuchen. Wir haben in der Zeit auch quasi alle Zulieferer gut ausfindig gemacht. Wir haben schon erste Prototypen dann produziert. Wir haben uns sehr früh dazu entschieden, dass wir natürlich alle schweren Frästeile, Stahlbauteile versuchen, dort lokalisiert zu fertigen. Und es war nicht ganz einfach am Anfang. Aber wir haben relativ zügig sehr zuverlässige Zulieferer gefunden. Wir hatten aber immer Ausfalllösungen. Also notfalls gab es natürlich auch aus dem Netzwerk noch ein paar deutsche Firmen, die einen Maschinenpark hatten, wo man auch mal was, schnell fräsen konnte. Der zweite Teil der Strategie war aber alle Teile, alle Komponenten wie zum Beispiel Lager, sogenannte Kurvenrollen kommen in diesen Teleskoptischen sehr stark vor, die haben wir eins zu eins immer aus Deutschland selber importiert. Also da, die werden auch, wurden damals auch speziell hergestellt für die MIAS, weil bestimmte Eigenschaften einfach nicht bei den Standardprodukten dran waren, aber bei den ganzen Teilen und jetzt kommt die noch größere Überraschung. Auch DIN- und Normteile haben zu diesen Teilen gehört, die wir aus Europa haben anliefern lassen. Die konnte man in großen Mengen einführen, also für uns große Mengen, aber die Qualität, die wir sicherstellen mussten, die war dadurch gesichert. Eine kleine Herausforderung war am Anfang durchaus das Material. Diese Frästeile, die sind relativ hoch belastet bei so einem Teleskoptisch, weil die Kurvenrollen auf den Frästeilen abrollen. Das heißt hier braucht man eine sehr, sehr, ja reproduzierbare Stahlqualität. Und die war nicht immer sichergestellt. Wir haben also auch einmal einen kompletten Container mit den Profilen aus München anliefern lassen. Das klang damals unlogisch. Das war aber nicht so schlimm. Wir haben einfach dieses als Reservematerial verwendet. Immer wenn einmal die Lieferung vom lokalen Lieferanten nicht gut war, konnten wir auf eigene Materialien ausweichen. Und bis man es gebraucht hat, haben wir es einfach als Testgewicht für die Tests unserer Teleskoptische verwendet.

MAX: Okay, alles gut. Wenigstens eine Verwendung. Wie sieht die Logistik heute dort vor Ort aus? Was sind das für Flächen? Damit man einen kleinen Eindruck davon bekommt.

Professor Fottner: Also wir sind eineinhalb Jahre später von den 500 Quadratmetern ausgezogen, haben ein 6000 Quadratmeter großes Werk bezogen und haben wiederum drei Jahre später nochmal die Fertigungsfläche verdoppelt in einem neuen Standard. Also die Entwicklung dort war berauschend. Wirklich auch sehr, sehr erfolgreich berauschend. Also das war eine tolle Wachstumsquote. Man kann sagen, dass spätestens nach fünf Jahren, China nicht nur der stärkste Einzelmarkt war, sondern tatsächlich auch den Gesamtumsatz derselben Geschäftseinheit in komplett Europa übertroffen hat. Also es war eine absolut korrekte Entscheidung dort hinzugehen. Die Logistik hat sich natürlich gewandelt. Wir haben irgendwann das verdiente Geld durchaus sinnvoll investiert und haben auch ein bisschen eigene Maschinen eingeführt, um einige Arbeiten selber durchführen zu können. Aber nie zu 100 Prozent. Also wir haben viele der ursprünglichen Lieferanten auch heute noch. Die konnten zum Teil mit uns mitwachsen. Das hat sie sehr gefreut. Das sind alles bodenständige, kleine Unternehmen, die relativ nahe an Kunshan angesiedelt waren und dadurch auch schlagkräftig und schnell agieren konnten. Wir haben inzwischen natürlich auch-, oder ich bin ja nicht mehr Teil der Geschichte, die MIAS hat heute sicherlich eine etwas stabilere Supply Chain, was immer noch diese Kurvenrollen, Ketten, Qualitätsbauteile angeht und die sinnvoll anzuliefern. Aber wir haben inzwischen auch die umgekehrte Richtung an einigen Stellen, wo wir sehr, sehr gute Lieferanten aus China gefunden haben, die zum Beispiel Gussteile für Getriebe und dergleichen sehr gut liefern können und damit versorgen wir jetzt die anderen Standorte von China aus auch.

MAX: Okay, aber ich sage jetzt mal, wenn ich eine stabile Supply Chain versuchen will zu etablieren, wie wurden die Firmen identifiziert, die da potentielle Zulieferer sind? Also ich kann es jetzt ja nur sagen, ich war ein paarmal in China, aber ich bin kein Fachmann. Aber ich stellte mir das einfach schwer vor, wenn ich sozusagen ohne ein persönliches Netzwerk oder dass ich wirklich Firmen finde, die alle Produkte für meine Supply Chain langfristig in der gleichen Qualität immer fertigen. Wie haben Sie das gemacht?

Professor Fottner: Also tatsächlich ist eins der großen Geheimnisse eben tatsächlich das Netzwerk. Wir hatten ja den schon erfahrenen Chinesen, der sich in dem Umfeld gut auskannte. Er hatte vorher lange Jahre Fahrradtechnik für Automotive auch selber engineert und auch eingekauft. Also der hatte schon Quellen, vielleicht nicht alle in Kunshan, aber wir hatten einfach in kürzester Zeit sehr, sehr viele gute Kollegen, andere Firmen, müssen ja nicht immer deutsche Firmen sein, gibt auch sehr gute amerikanische Firmen, die einem auch gerne mal helfen. Und dieses Umfeld dort war sehr stark mittelständisch geprägt. Ist klar, in so einem German Industrial Park, da sitzen lauter Leute, die halt Hallen mit 1500 Quadratmetern brauchen und nicht jetzt die großen Hersteller. Und da lief sehr viel über Mund-zu-Mund-Propaganda. Jetzt kommt aber noch ein, wirklich ganz wichtiges Prinzip. Wie identifiziere ich die Guten unter denen? Und was ein riesen Vorteil in China war, war, man hat schon ein gewisses Risiko. Man hat monatelang sehr gute Qualität bekommen und dann kam plötzlich irgendwas, da hat kein einziges Maß mehr gestimmt. Einfach, weil der Bearbeiter zum Beispiel gewechselt hat. Das kann mal vorkommen. Aber im Gegensatz zur europäischen Zulieferwirtschaft, wo man dann in eine größere Diskussionsrunde kommt, war es jetzt wirklich mein Fehler und sind die Löcher auch wirklich an der falschen Stelle, war es in China ein sehr einfaches Prozedere. Da haben wir am Eingang nachgeguckt, stimmt alles. Also grob gemessen. Und wenn irgendetwas nicht gestimmt hat, dann hat man gesagt: „Nimm deinen Lkw. Fahre zurück. Heute Nachmittag um 16 Uhr bringst du bitte die richtigen Waren.“ Und es gab kein einziges mal eine Diskussion. Das ist ein bisschen ein kultureller Vorteil. Wenn man einen Fehler erkennt in China, dann verliert derjenige, der den Fehler gemacht hat, also erst mal das Gesicht. Der gewinnt es zwar relativ zügig wieder, sein Gesicht, aber nur dadurch, dass er den Fehler proaktiv behebt. Es gibt sehr wenig Diskussionen.

MAX: Okay. Und ich sage jetzt mal, die kulturellen Unterschiede. Also jetzt haben Sie ein Beispiel erwähnt, was waren da die Hauptlearnings? Auf was muss man achten? Was ist wichtig, was ist anders?

Professor Fottner: Also ich habe vor wahrscheinlich vier oder fünf Jahren mal die Freude gehabt, in der Wirtschaftswoche ein Interview geben zu dürfen über die Erfahrung eines Mittelständlers in China. Das stand unter der Überschrift „I have a good feeling.“ Und das ist wahrscheinlich kulturell tatsächlich einer der größten Unterschiede, wo man bei uns tatsächlich sehr schnell dazu neigt einfach mal einen Business Case zu errechnen, mal zu gucken, wie ist die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, was sind die Szenarien, die funktionieren könnten gilt in China sehr, sehr schnell als Gegenstück, das Bauchgefühl „I have a good feeling.“. Das hat manchmal Vorteile und manchmal auch gewaltige Nachteile. Aber hier ist ein riesen Kulturunterschied. Also dieses genaue vorher Planen, das Überprüfen, welche Risiken könnten bestehen. Der Deutsche macht es ja richtig. Also ich möchte um Gottes Willen immer sagen, man sollte sich immer bewusst sein, welche Risiken bestehen, aber ich kann halt nicht jedes Risiko komplett ausschließen und ich darf es auch nicht einkalkulieren. Wenn ich das mache, verkaufe ich nichts mehr. Und das ist etwas, was einfach für mich das tollste Learning war, diese beiden unterschiedlichen Mentalitäten und Kulturen zusammenzuführen. Wo der Chinese zum Beispiel in der Detailkonstruktion, also wenn es darum geht möglichst schnell irgendetwas, was aber schon vorgedacht ist, technisch darzustellen oder sogar auch umzusetzen, das ist, da können wir nicht mithalten. So schnell sind wir da nicht. Aber im Kreativen war tatsächlich schon der Münchner Standort immer noch der Führende. Und das aber als Vorteil zu nutzen und zu sagen, lass uns doch einfach mit diesen beiden Mentalitäten versuchen, ein gutes Gesamtkonzept zu kriegen. Das war für mich immer wieder sehr, sehr gut. Was mich auch überrascht hat, man hat ja sehr viel Ängste, wenn man nach China geht. Der klassische Mittelständler ist jemand, der wie vorher schon erwähnt sehr stark auf sein Netzwerk hört, auf Erfahrungen aufbaut. Nicht alle Erfahrungen sind immer brandaktuell. Manche beruhen auch auf im Jahr 1978 tatsächlich noch faktenorientierten Vorurteilen, aber heute vielleicht doch veränderten Welten. Und hier aber auch die Offenheit zu haben und zu sagen, ich gehe jetzt in dieses Land und schaue es mir mal an. Man spricht in China sehr viel über diese “Guanxi,” also Beziehungswesen. Ich muss meinem Kunden, ich muss mit dem mal mindestens mal Abendessen gehen, bevor er mit mir ein größeres Geschäft macht und stellt es immer so chinesisch dar, ich möchte jetzt nichts Falsches sagen, aber das ist doch in Oberbayern nicht sehr viel anders. Ich muss doch auch, wenn ich jemandem Vertrauen entgegenbringen möchte, tue ich mir doch sehr viel leichter, wenn ich ihn kenne zu einem gewissen Grad. Und dieser Beziehungsaufbau, der ist sehr, sehr wichtig in China. Und das finde ich auch sehr gut. Man hat oft den Eindruck, dass man in China mehr Angst davor haben muss, beschissen zu werden. Und da muss ich sagen, meine Erfahrung war das Gegenteil. Warum? Weil tatsächlich eigentlich der Moralbegriff in China auch im Geschäftsumfeld, eben alleine wegen dieses Beziehungswesens, sehr, sehr weit oben steht. Wenn man irgendetwas falsch macht und das kann auch moralisch falsch sein, verliert man sehr schnell sein Gesicht. Und deshalb wird sich, ja, jeder versuchen sich Vorteile zu erwirken, aber nicht in dem Sinne, dass er den Anderen über den Tisch ziehen will, sondern eigentlich nur, dass er sagt, ich versuche halt mein Bestes. Es sind oft irrsinnige Verhandlungen, aber meiner Meinung nach ist der Moralbegriff und damit die Möglichkeiten, eine Vertrauensbasis zu haben, in China absolut gleichwertig mit dem was man hier hat.

MAX: Okay. Also das wäre jetzt halt auch von mir eine Sorge gewesen, aber ist ja auch umso schöner, wenn man da von positiven Beispielen berichten kann. Was mich jetzt noch interessieren würde, ist, wieviele Mitarbeiter sind es heute vor Ort? Wahrscheinlich so-. (Professor Fottner: Jetzt sind es um die Hundert.) Um die Hundert.

Professor Fottner: Also es ist relativ wenig für das, was dort produziert wird, weil wir eben keinerlei Engineering, oder stimmt auch nicht. Engineering machen wir vor Ort, aber die Kundenanpassung, nicht die Basisentwicklung.

MAX: Okay. Wie funktioniert Recruiting? Also, ich sage jetzt mal, wir wissen jetzt halt, wenn wir in Dachau hier, Kolleginnen und Kollegen brauchen, da schon ungefähr, was wir machen. Aber wie sieht denn so etwas in China aus?

Professor Fottner: Also es ist tatsächlich ein relativ, ja schwieriger Prozess. Übrigens vielleicht nochmal da auch zurück, das war ein Grund, warum wir nach Kunshan gegangen sind. Kunshan hat zwei Vorteile. Erstens ist es doch kleiner als Shanghai. Zweitens es hat so eine Art Universität. Es gibt da kein duales Ausbildungssystem für Facharbeiter in China, jedenfalls nicht in dem Stil, wie es bei uns ist. Das heißt ähnlich wie in Amerika, gute Facharbeiter kommen von einer Art von Universität. Also die haben so eine teiluniversitätere Ausbildung. Die bekommt man oft über das Hörensagen. In Shanghai werden die natürlich an der Tür abgeholt und abgesaugt von irgendwelchen Großunternehmen. Kunshan hatte da einen großen Vorteil. Kunshan hat nämlich zwei Hälften. Die werden von dem Highway geteilt. Auf einer Seite vom Highway sind die ganzen amerikanischen und westlichen Firmen und auf der anderen Seite vom Highway sind die ganzen taiwanesischen Firmen. Der German Industrial Park hatte aber den großen Charme, dass er auf der Seite der taiwanesischen Firmen lustigerweise war. Und das war für uns ein großer Vorteil. Die Reputation deutscher Arbeitgeber ist extrem gut in China. Also die sind sehr beliebt, weil sie tatsächlich relativ gut Stabilität bieten, weil sich die Mitarbeiter, wenig überraschend, ähnlich wie bei uns, gerne mit dem Unternehmen auch identifizieren wollen. Und da kommt dann der zweite Satz. Bei der Frage Recruiting, kommt auch immer die Frage nach der Fluktuation, weil in China ist es schon so, da gibt es ja einen Chinese New Year und um Chinese New Year werden die Boni ausbezahlt und auch jeder Facharbeiter bekommt so etwas wie einen Bonus. Und es ist sehr häufig so, du teilst dann kurz vor Chinese New Year den Bonus aus und der Mitarbeiter kommt dann anschließend gar nicht mehr erst wieder, weil er nämlich beim Nachbarn irgendwie einen halben Yuan mehr bekommt. Das stimmt nur eingeschränkt. Also ähnlich wie, was funktioniert bei uns. Man muss eine Identifikation schaffen, man muss auch eine Atmosphäre schaffen, man muss natürlich fair bezahlen. Das ist überhaupt keine Fragestellung. Wenn man zu wenig bezahlt, was bleibt den Leuten übrig? Die werden ja eh nicht wirklich hoch bezahlt, aber dann werden die zu jemanden anderen gehen. Aber viel wichtiger sind schon so Maßnahmen wie, das was bei uns die Weihnachtsfeier ist, ist in China zum Beispiel die Chinese New Year-Feier. Und dort auch wirklich mit dem europäischen Management mal, ist ja, bei dem Mittelständler ist es ja jetzt nicht irgendwie derjenige, der die Welt beherrschen muss, sondern ein ganz bodenständiger Geschäftsführer, der muss da dabei sein. Der muss auch mit zur Verfügung stehen. Man kann sich nur schwer unterhalten, denn die sprachliche Basis ist hier schon ein Hemmnis, aber der muss einfach Präsenz zeigen. Der muss auch mit da sein und zeigen, dass er für das Unternehmen und seine chinesische Tochterfirma steht. Dann auch mal zwischendrin Barbecue oder ihnen auch die Möglichkeit geben, bevor man zu viele Mitarbeiter hat, ist in China sehr bewusst Überstundenmöglichkeiten, weil man damit einfach hinzuverdienen kann. Das ist den Mitarbeitern (MAX: Wichtig.) wichtig. Und da einfach eine ausgewogene Basis zu schaffen, die nicht irgendwie auspressen. Mensch, bei aller Liebe. Wir werden in China keine Produktivität bei Mitarbeitern finden, wie wir das bei uns haben, aber dafür kosten die ja sehr viel weniger. Und das muss man-, also ich habe immer etwas zu viel Sand gesagt, wenn man eine Chinese New Year-Feier hat und dort große Mengen chinesischen Schnaps trinken muss. Das ist also kein besonderes riskantes Manöver, denn der durchschnittliche chinesische Mitarbeiter, der mir, also hat ungefähr mein halbes Gewicht. Also hatte ich von vorne rein (MAX: Vorteile.) da große Vorteile. Und ja, aber man muss das auch sagen, der chinesische Mitarbeiter, es sind halt einfach tatsächlich vom Körperbau her etwas filigraner als das der Europäer ist. Ich brauche tatsächlich mehr Mitarbeiter an vielen Stellen, aber das heißt ein bisschen Produktivitätseinschränkung, kann man aber wirklich gut organisieren.

MAX: Okay. Das heißt die Fluktuation, in wie viel Prozent kann man so etwas sich vorstellen?

Professor Fottner: Kann ich tatsächlich gut beantworten. Wir hatten die ersten drei Jahre null Prozent Fluktuation. Also, (MAX: Sehr gut.) wobei wir mit relativ wenigen Mitarbeitern, wie Sie sich vorstellen können, begonnen haben. Wir haben, ich glaube im ersten Jahr haben wir die Chinese New Year-Feier an einem Tisch gefeiert. Da haben dann neun Leute gesessen. Ja, war sehr, sehr schön und hat viel Spaß gemacht. Nach einem Jahr waren wir 30. Also ein Jahr später dann. Das war dann nach zwei Jahren Betrieb. Dann waren wir auch schon am zweiten Standort und dann ging es natürlich schon relativ zügig. Und wir haben dann immer wieder, wie ich gerade gesagt habe, auch mit Hilfe von Überstunden versucht mal, nicht immer kontinuierlich zu wachsen, sondern immer wieder mal auch so eine Konsolidierungsstufe dazwischen zu machen, wo auch, dadurch dass die Mitarbeiter erfahrener wurden, dass sie auch länger mitarbeiten wollten, einfach mit dem gleichen Mitarbeiterstamm das Wachstum abzudecken war. Das heißt, wir hatten einmal einen ziemlich heftigen Einschnitt, da war aber eine Gruppe, da haben wir beim Recruiting einfach einen Fehler gemacht und da war halt eine ganze Gruppe mal nicht sehr gut. Von denen trennt man sich dann auch. Wobei man da aufpassen muss, also das Arbeitsschutzrecht in China ist definitiv nicht wie in Amerika, sondern wie in Deutschland. Also man muss da schon, (MAX: Erwartet man auch nicht.) ja man muss schon-. Ja und Gott sei Dank! Denn, wie gesagt, das Lohnniveau ist niedrig. Die Altersvorsorge hat erst in den letzten Jahren überhaupt einigermaßen überlebensfähige Strukturen angenommen. Also man muss schon eine gewisse Verantwortung auch für diese Mitarbeiter eindeutig entwickeln.

MAX: Ja. Finde ich auch gut. Also das würde ich wahrscheinlich genauso machen. Bevor wir vielleicht das Ganze nochmal versuchen ein bisschen zusammenzufassen, würde mich jetzt halt noch interessieren, wenn der Markt sich dort so gut entwickelt für logistische Systeme allgemein. Was waren denn die da die Haupt- oder was sind die Hauptkunden von MIAS oder für ähnliche Produkte in Asien?

Professor Fottner: Also, die MIAS war ein klassischer Zulieferer zu Unternehmen, die ganze Logistiksysteme dann liefern. Also sogenannte Systemintegratoren. In Deutschland gibt es recht bekannt die DEMATIC früher hatten wir Mannesmann, die solche Systeme liefert. In unserem Umfeld der Logistik gibt es inzwischen da eine ganze Menge. Swisslog und was es alles gibt. Das waren unsere ersten Kunden. Also es war relativ zügig, dass wir natürlich, logischerweise, unsere europäischen Kunden waren heilfroh, als wir nach China gingen, denn sie hatten Standorte in China und konnten dann in China unsere Produkte auch eins zu eins kaufen. Mussten keinen Import mehr machen. Wunderbar. Aber schon nach eineinhalb, zwei Jahren haben wir unglaublich stark Kunden gehabt von chinesischen Systemintegratoren. Und die Erklärung ist relativ einfach. Diese Teleskoptische schauen einfach aus, aber wenn er kaputt ist, geht das ganze System nicht. Also es war tatsächlich für die sehr werthaltig zu sagen, ich setze einen hochqualitativen Artikel da ein. Also tatsächlich der Brandname MIAS und durchaus mit dem Zusatz “Made in Germany”, in unserem Fall war es dann nicht Made in Germany. Made in Germany but produced in China. Das war durchaus akzeptiert, aber es war immer noch deutsche Technologie, die hier eingebaut wird. Ist nach wie vor von der Reputation her sehr, sehr wichtig. So aber der Markt an sich hat in China natürlich auch enorm zugenommen. Warum? China hatte relativ lang, eigentlich bis in die 2010- 2012er Zeit eine immer sehr regionale Versorgung mit Artikeln. Also sprich, wenn man dort in einen Supermarkt gegangen ist, dann waren selbst so Artikel wie Shampoo und Seife oft aus den näheren Umfeld. Das heißt also, das was wir hier so wertschätzen, dass wir eigentlich egal wo wir uns in Europa gerade aufhalten, wir können jederzeit das gleiche Shampoo und das gleiche Duschdas und die gleiche, na die Milch nicht, aber alles andere eigentlich kaufen. Das war noch nicht so ausgeprägt. Jetzt kamen aber die Metros und Tescos dieser Welt und haben auch dort relativ zügig ihre Filialen eröffnet und das hat tatsächlich den Bedarf der chinesischen Bevölkerung, die ja beachtlich an, durchaus Wohlstand auch zunimmt. Also die Mittelständler, nicht von den Unternehmen, sondern die mittelständischen Konsumenten, die halt einfach die Mittelklasse der Bevölkerung darstellen, haben enorm zugenommen. Und die sehen natürlich, wie so das westliche Verhalten ist und wollen auch Marken kaufen. Dazu war aber eigentlich noch gar keine Infrastruktur zur Versorgung gegeben. Und das hat gerade in den letzten, ja wahrscheinlich inzwischen etwa zehn Jahren schon enorm viel Investitionen in Logistiksysteme bedeutet.

MAX: Das heißt, nur damit ich das richtig verstehe, weil ich, sozusagen zum Beispiel, die Milch an einem Punkt produziert habe und ich sie dann mit guter Logistik über große Regionen verteilen musste, deswegen wurde in Logistik investiert?

Professor Fottner: Nicht nur eins, an einem Ort produziert, sondern ich habe internationale Marken, die ich jetzt aber flächenmäßig verteile. Also ich habe jetzt eigentlich viele Quellen für viele Ziele. Das heißt. Ich brauche dazwischen eine Infrastruktur, wo ich quasi die Verteilzentren habe. Also ein Edeka hat ja bei uns auch hier, ja, riesige Verteilzentren. Eins davon ist in Landsberg. Wenn man die mal sieht, ist beachtlich. So was gab es einfach vorher noch nicht so stark in China, weil man sich gar nicht so viel mit diesen Brands beschäftigt hat. Das wurde ihnen quasi von uns beigebracht. Aber man kann es auch verallgemeinern. Auch die Industrie hat einfach eine ganz andere Logistik inzwischen, als das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Und ja, dann darf man eins nicht vergessen. Die Lohnkosten nehmen in China schon deutlich mehr zu als das bei uns. Da hat mich einer gefragt, mensch du gehst nach China, da ist doch Lohnkostenexplosion, da musst doch nach Bangladesch gehen. Na ja, ich bin ja kein Nomade, der jetzt hier von Billiglohnland zu Billiglohnland geht. Im Gegenteil, ich möchte Marktnahe sein. Je höher die Lohnkosten, der ist jetzt ein bisschen doof der Satz, aber er stimmt halt einfach, je höher die Lohnkosten, desto größer ist der Markt für automatisierte Technik. Und das heißt eigentlich waren die Lohnkostensteigerungen durchaus für uns eher etwas Positives als was Negatives, auch wenn unsere eigenen Lohnkosten gestiegen sind. Und man kann ja in China sagen die Inflation ist hoch, aber, und auch die Lohnkostensteigerung, aber die Wachstumsrate, selbst wenn sie jetzt bei sechseinhalb oder sieben Prozent liegt. Wenn man sich diesen riesigen Markt mal anschaut und die Stelle, wo er inzwischen auch ist, dann sind diese Prozentzahlen immer noch gewaltig.

MAX: Ja, also kann ich absolut nachvollziehen. Wir haben so ein grobes Bild, wie man so etwas aufbaut. Was mich eigentlich jetzt zum Abschluss interessieren würde, also vielleicht bin zu spät auf den Trichter gekommen, aber vielleicht sagen wir mal, ich möchte ein kleines Spezialkugellagerwerk in China aufbauen und ich habe diesen einen ersten Ansprechpartner nicht, bei wem soll ich anrufen?

Professor Fottner: Jetzt könnte ich ein bisschen Werbung machen. (MAX: Gerne, deswegen frage ich.) Ja, also es ist ganz lustig. Jener Bernd Reitmeier, der damals bei der AHK war, der kam dann auf eine Idee und hat später dann etwas gemacht, das nennt sich “Startup Factory” (Anm. D. Red.: link am Ende des Textes). Startup Factory sitzt in Kunshan, war auch unserer Nachbar in Kunshan und hatte wirklich den Gedankengang zu sagen, wenn jetzt kleine, wirklich kleine Unternehmen aus Deutschland oder wo auch immer, sich in China ansiedeln wollen, dann helfe ich denen, indem ich ihnen quasi als Inkubator diene. Die können also erst mal hier in die Halle. Das ist meistens geplant für das erste Jahr oder eineinhalb. Es wird geboten, dass man eine gewisse finanztechnische Infrastruktur hat. Also CFO oder auch im ERP-System, der kann dann geteilt werden. Man muss sich nicht um Infrastruktur, das ist in China relativ aufwendig, da muss man also den Stromverteiler und alles muss man sich selber organisieren. Das muss man auch dort nicht. Also ich kann bloß raten, wenn einer heute hingehen wollen würde, sich tatsächlich einfach mal hier in Deutschland mit den unterschiedlichsten Mittelständlern mal zu unterhalten, mal zu gucken, wer hat denn Niederlassungen in China. Mal das Gespräch zu suchen. Vielleicht zur AHK mal zu gehen, die ist auch sehr, sehr hilfreich und unterstützt einen gerne. Das ist das Gegenstück zur IHK hier. Das heißt man ist als Unternehmen ohnehin quasi Mitglied. Erfahrungsaustausch mit Anderen machen. Mal einfach mal kurz das unterdrücken, was man an Vorurteilen im Hinterkopf hat, auch ganz wichtig. Ja und wenn man sieht, dass es ein Markt ist, dass es ein Markt ist. Also ich lege immer noch großen Wert darauf, die Zeiten, wo man in China produziert hat, weil es die Fabrik der Welt sind, da wären Sie wirklich viel zu spät. Also wenn Sie von China die Welt versorgen wollen, lassen Sie es. Gehen sie woanders hin. Das ist zu spät. Aber wenn man China als einen der stärkeren Märkte sieht, muss gar nicht der stärkste sein und man möchte auch nahe an dem Kunden sein, dann muss man dort irgendwas haben. Egal ob es eine größere Infrastruktur oder ein Fertigungswerk. Am besten ist schon ein bisschen Produktion dort. Auch Einkauf ist sehr hilfreich, auch für sie nationalen Dinge, die wir hier in Deutschland brauchen. Dann wirklich mal dort auch einfach Organisationen aufsuchen, mit Leuten reden und vielleicht einfach mal versuchen.

MAX: Okay. Das ist doch eigentlich ein sehr gutes Schlusswort. Dann bedanke ich mich für die ganzen Insides, war sehr interessant. Und vielleicht können wir nochmal eine Folge noch zu einem anderen Thema machen und in dem Fall liebe Hörerinnen und Hörer würde ich mich über Feedback freuen. Einfach an Max@supplychainhelden.de schreiben. Ich glaube wir beide würden das eine oder andere logistische Thema noch finden, das spannend ist.

Professor Fottner: Glaube ich auch. Sehr gerne, jederzeit. Genau also vielen Dank.

 

Links:

Ludwig Meister

MIAS Group

Professor Fottner

Start up Factory China

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert