Digitalisierung und Mittelstand – Schritt für Schritt zwischen Wunschtraum und Wirklichkeit

Im Gespräch mit Dr. Robert Kuttler, Geschäftsführender Gesellschafter ifp Consulting in Garching

Die Firma IFP Consulting mit Hauptsitz in Garching bei München versteht sich selbst als technische Unternehmensberatung zu den Themen Vertriebs- und Logistikplanung. Dazu gehört heute, 32 Jahre nach der Gründung, ganz selbstverständlich das Thema digitale Anwendungen im industriellen Umfeld. Mit gut 30 Mitarbeitern und einer engen Verbindung zur Hochschule betreut die IFP viele interessante Projekte, gerade auch bei mittelständischen Unternehmen. Ich kenne Dr. Robert Kuttler, Geschäftsführer und Mitgesellschafter von IFP Consulting aus der erfolgreichen Zusammenarbeit auf verschiedenen Projekten in unserem Haus schon einige Jahre.
Heute spreche ich mit Dr. Robert Kuttler über seine Erfahrung in Sachen Digitalisierung im Mittelstand. Als Mann von Theorie und Praxis unterscheidet er klar zwischen hehren Zielen und den vorher notwendigen Grundlagenarbeiten, d.h. zwischen Schein und Sein in der Digitalisierung in Logistik und Vertrieb. In einem kleinen Exkurs lerne ich dann auch noch etwas über virtuelle Umgehungsstraßen. Und bekomme einen guten Einblick in die Analytics und Software Sparte der IFP, am Beispiel mobile Instandhaltungslösungen und einem digitalen Schichtbuch.

Viel Freude beim Hören:

Willkommen zu „Max und die SupplyChainHelden“, deinem Unternehmer-Podcast zum Thema Einkauf und Logistik im digitalen Wandel. Interviews und Erkenntnisse von und mit Profis aus dem Bereich Supply Chain Management, ganz ohne Beratermission. Ich bin MAX: Meister und Familienunternehmer in dritter Generation.

 

MAX: Herzlich willkommen.

ROBERT KUTTLER: Vielen Dank.

MAX: Freut mich, dass ich hier sitzen kann. Ich sitze heute bei der Firma IFP Consulting in Garching, bei dir. Vielleicht möchtest du dich mal vorstellen, wer du bist und was du machst.

ROBERT KUTTLER: Vielen Dank, mein Name ist Robert Kuttler, ich bin Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Firma IFP. Wir sind eine technische Unternehmensberatung, wir machen alles rund um Vertriebs- und Logistikplanung. Wir sind auch im Bereich Digitalisierung unterwegs. Die Firma gibt es schon relativ lange, 32 Jahre, und wurde von Professor Dr. Milberg gegründet. Heute ist sie noch familiengeführt, ich bin seit 19 Jahren dabei und seit 13 Jahren als Geschäftsführer tätig.

MAX: Wir haben uns schon vor einiger Zeit bei mehreren Aufträgen kennengelernt, die wir neu vergeben haben. Magst du da ein paar Sachen zu sagen?

ROBERT KUTTLER: Wir sind sehr viel im Mittelstand unterwegs, wir verstehen uns als Mittelstandsberatung. Und da durften wir eben mit Ludwig Meister Planungsprojekte durchführen. Wir haben mal ein Software-Thema gemacht oder im Bereich Digitalisierung haben wir zusammen etwas gemacht. Wir haben, sag ich mal, gemerkt, dass wir auf einer gewissen Wellenlänge sind und schätzen natürlich immer den Austausch mit, ich sag jetzt mal, den Meistern, auch mit dem Vater, Ludwig Meister. Von daher freut es mich, dass wir hier einen Podcast machen.

MAX: Sehr schön, ich stelle auch gern mal den Kontakt her, falls einer der Zuhörerinnen und Zuhörern deinen Kontakt haben möchte. Ich sitze heute hier, weil ihr auf eurer Homepage relativ groß schreibt, dass ihr Supply Chain Profis seid oder ihr helft bei der Optimierung von Supply Chains. Mich würde grundsätzlich interessieren, welche Trends du siehst in dem Thema Supply Chain Management in Bezug auf Digitalisierung und Co.?

ROBERT KUTTLER: Wir haben es ein bisschen unterteilt in technische Entwicklungen und Dienstleistung. Bei den technischen Entwicklungen sehe ich jetzt eher das Thema – da gibt es tolle Schlagwörter wie “Augmented Reality”. Ich sehe jetzt aber eher die Stufe eins, bei unseren Kunden das Thema durchgängige Informationslogistik, RFID-Einsatz, solche Themen eher als die großen technischen Entwicklungen.

MAX: Kurze Rückfrage zum Thema RFID, immer dann, wenn wir es untersucht haben, waren die Kosten pro Take relativ hoch und Bulk-Leseraten immer noch relativ gering. Wie ist da der aktuelle Stand?

ROBERT KUTTLER: Das sinkt natürlich weiterhin. Es braucht jetzt ein Anwendungsfeld, es geht natürlich nicht in kleinen Bereichen. Ab einer bestimmten Größenordnung ist das Thema für unsere Kunden schon interessant. Das ganze Thema künstliche Intelligenz, Big Data, die Schlagwörter, die finde ich alle toll, ich glaube daran, ich bin ja auch technikbegeistert an der Stelle. Ich sehe aber bei unseren Kunden, dass die Stufe eins, so nenne ich es jetzt einfach mal, erstmal weg von diesen ganzen Excel-Inseln, Informationslogistik durchgängig, erstmal ERP einführen, was wir bei vielen Kunden noch nicht mal haben und ganz wichtig neben solchen Themen wie RFID bei uns. Wir haben viele Projekte im Bereich Automatisierung, Lagerautomatisierung. Das ist schon ein Thema, was in den letzten Jahren zugenommen hat. Nicht immer die Vollautomatisierung, vielleicht auch die Teilautomatisierung, wo alle Lagersysteme, die es gibt, aber das Thema Automatisierung im Lager- und Logistikbereich ist grundsätzlich bei uns sehr stark im Kommen. Ich glaube trotzdem an diese Schlagwörter und diese neuen Technologien. Allerdings in einem sehr spezialisierten Bereich. Es wird Softwareservices geben, wo ich mich unterstützen lassen kann in künstlicher Intelligenz, weil ich die Routenplanung intelligent mache, solche Dinge. Das Thema der durchgängigen Industrie 4.0-Landschaft in der Fabrik oder in der Supply Chain, sehe ich eher mittel- bis langfristig, um ehrlich zu sein. Weil ich einfach aus Praxis komme, aus der Realität. Bei unseren Kunden fehlt es oft schon an den Basics. Eine Scannerlösung einzuführen, ist schon ein erster Schritt. Ohne jetzt hier der Spielverderber sein zu wollen, da fehlt es echt an den Basics und dann gehen wir in den speziellen Bereich und sprechen über Alternativen.

MAX: Und wenn ihr zu Kunden geht, die sagen, wir wollen die Supply Chain optimieren und ihr sagt die Basics passen noch nicht, dann sind es ja oft eher ERP-Projekte?

ROBERT KUTTLER: Genau, es geht meistens schon los mit den Prozessoptimierungen, dass wir einfach Prozesse optimieren. Der Kunde kommt natürlich sagt: “Ja ich möchte jetzt alles digitalisieren.” Es gibt einen guten aber saloppen Spruch, den ich an der Stelle immer gerne zitiere, von Thorsten Dirks, CEO von Telefónica: Wenn man einen scheiß Prozess digitalisiert, hat man einen scheiß digitalen Prozess. Es ist oft bei uns der Einstieg beim Kunden, dass er digitalisieren möchte, aber wir müssen zunächst die Basics schaffen. Du brauchst eine Bestandsverwaltung, vielleicht mit einer Barcode-Lösung. Du musst erstmal eine durchgängige Informationslogistik haben und dann kann man über künstlicher Intelligenz oder über Preventive reden.

MAX: Diese Projekte ziehen sich dann aber eher über 12 Monate als über 3 Monate?

ROBERT KUTTLER: Es sind Projekte, meist geht es moderat los, dann merkt der Kunde, welche Möglichkeiten es noch gibt. Eine durchgängige Prozessoptimierung bis hin zur Digitalisierung, das ist schon ein Thema von einem Jahr.

MAX: Welche Trends siehst du bei zusätzlichen Dienstleistungen und Services allgemein beim Thema Supply Chain oder Logistik?

ROBERT KUTTLER: Ich bin sehr überzeugt generell vom ganzen Thema Cloud. Ich weiß, dass es sehr skeptisch betrachtet wird, weil die Kunden oder Mittelständler meistens sehr viel Angst davor haben. Man kommt um dieses Thema nicht herum, wir haben selber bei uns in der Firma keinen Server mehr seit einem Jahr, wir sind sozusagen serverlos und sind nur noch cloudmäßig unterwegs. Man hat gemerkt, dass das ganze IT-Thema immer komplexer geworden ist in den letzten Jahren. Es gibt tausende Sprachen und tausend Technologien und so weiter, durch diese Cloud-Thematik, so haben wird es empfunden, werden die Sachen wieder einfacher, weil es gibt einfach Standards mittlerweile. Ich kann mir die Softwareservices holen, wenn ich sie brauche, wenn ich sie nicht brauche, dann eben nicht. Das Thema Cloud als übergeordnetes Thema kommt auf jeden Fall, man kommt nicht daran vorbei. Ganz speziell im Supply Chain glaube ich nicht so an eine Mega-Solution. Ich glaube an die Entwicklung in ganz speziellen Bereichen, Routenplanung 4.0 mit virtuellen Umgehungsstraßen, die geplant werden, durchgängige Informationssysteme, Containerlogistik, Leerguthandling oder Buchungsplattformen für Transporte, also an sowas glaube ich. Das kommt zwangsläufig, ist auch schon teilweise im Einsatz, es wird aber in den nächsten Jahren definitiv kommen.

MAX: Was ist, entschuldige die Rückfrage, eine virtuelle Umgehungsstraße?

ROBERT KUTTLER: Naja das habe ich auch lernen müssen. Es gibt Routenplanungssysteme, die sagen, bevor wir jetzt eine echte Umgehungsstraße bauen, lösen wir das doch für die LKWs virtuell. Das heißt, ich plane dir um eine Ortschaft rum, die ideale Echtzeit, verkehrsmäßig und so weiter, Umgehung für den LKW. Damit der LKW nicht mehr durch die Ortschaft fährt. Ein klassisches Navi würde ihn durch die Ortschaft schicken, weil es der kürzeste Weg ist, die neue Generation, Routenplanung 4.0, würde sagen: “Ich fahre jetzt nicht durch den Ort, ich fahre außen herum und schaffe mir so eine virtuelle Umgehung”. Das ist ein neues Thema, wir haben Kunden, die damit experimentieren, der seine Shuttleservices jetzt nicht mehr durch Ortschaften fahren lässt, sondern über die virtuelle Umgehungsstraße.

MAX: Du wohnst im Chiemgau, siehst du da auch schon Google Maps Routen, die am Wochenende beim Rückreiseverkehr durch Ortschaften führen?

ROBERT KUTTLER: Nein, Google Maps ist auch schon relativ intelligent, weil er Alternativen vorschlägt. Aber es findet sich jetzt tatsächlich in speziellen Routensystemen wieder, die z. B. für LKWs sind, nicht für PKWs. Das ist ein interessanter Aspekt, weil das Thema sehr hoch ist. Viele Ortschaften versuchen, für Millionen Umgehungsstraßen zu bauen, aber wie schafft man die Umleitung virtuell, indem das Navi die LKWs einfach drum herum leitet und intelligenter und nicht so nach dem Motto: “Geometrisch voll durch.”

MAX: Das ist mit Sicherheit ein wichtiger Punkt, vor allem, weil die Umgehungsstraße 10 Jahre braucht, bis über eine erste Genehmigung diskutiert wird und dann sind 40 Jahre ein schlechter Planungszeitraum für Umgehungsstraßen.

ROBERT KUTTLER: Das war zum Thema Dienstleistung. Was mich an der Stelle total bewegt, ist das Thema, was für mich völlig ungelöst ist, neben dem Dienstleistungs-/Service-Thema, der Transport an und für sich. Wenn man das Onlinegeschäft betrachtet und sieht, wie sich Speditionen und die Post durch die Pakete quälen, ist es ein dringendes Thema, was meiner Meinung nach komplett ungelöst ist. Wie kriegt man in Zukunft diesen Online-Warentransport hardwaretechnisch auf die Straße? Brauchen wir mehr Speditionen? Brauchen wir ein anderes Konzept? Muss Amazon selber fahren oder etwas aufbauen? Ich glaub, dass das kollabiert, in wahrscheinlich gar nicht allzu langer Zeit.

MAX: Wir haben vorher schon einmal kurz diskutiert, dass wir auch erwarten, dass die Performance aller Spediteure im Dezember deutlich nach unten gehen wird. Ich habe schon etwas darüber gelesen, aber noch nichts gesehen, was mich echt überzeugt hat. Ich wohne mitten in München und sehe relativ wenig unterschiedliche Konzepte. Also es ist jetzt nicht so, dass man mal unterschiedliche Ansätze der Kurier- oder Expressdienstleister sieht. Sie machen es alle gleich. Im Zweifel fahren die halt dreimal am Tag. Ich hoffe auch, dass da noch etwas kommt. Man braucht aber hier schon eine kryptische Größe, um da maßgeblich mitzumachen. Aber das ist ein spannendes Thema. Wie siehst du es, wenn du fünf Jahre in die Zukunft schaust allgemein zum Thema Handel oder Distribution? Wie wird sich der Markt aus eurer Sicht entwickeln?

ROBERT KUTTLER: Ich zitiere mal Karl Valentin: „Die Zukunft war früher auch schon mal besser“. Um ganz ehrlich zu sein, ich weiß es nicht, ich will kein Spielverderber sein. Aber ich glaube, ganz ehrlich gesagt, es wird nicht mehr so viel anders als heute. Firmen, die moderat mit der Zeit gehen, die gucken, die sinnvoll digitalisieren, die kreativ sind, die automatisieren ein Stückweit und vor allem kümmern die sich um ihre Kunden, das ist heute nicht mehr ganz so üblich. Nicht um sich selbst kümmern, sondern um den Kunden und die anpassbar und vorausschauend und schnell sind. Die werden am Markt erfolgreich sein. Kleine oder mittelständische Unternehmen müssen heute gucken, dass sie anpassbar, schnell und reaktionsfähig sind und das gewisse Extra bieten.

MAX: Wie sieht euer Angebot mit der zweiten Firma, IFP Analytics, aus? Es zahlt ja auf die Frage ein bisschen ein, oder?

ROBERT KUTTLER: Genau, Analytics ist eine Business-Unit, eine Softwareentwicklung zum Digitalisieren von Prozessen in Produktion und Logistik. Es gibt zwei Bereiche, wir helfen zum einen, Anlagen Effizienzen zu heben, indem wir Software anbieten, um Anlagen zu tracken, klassische OE-Themen und so etwas. Die zweite Schiene ist die Individualentwicklung, um Prozesse im Shopfloor zu unterstützen. Wir gehen jetzt nicht auf die ganzen Schlagwörter, auf die Wahnsinns-Technologien, dass wir sagen, es sind Produkte, die künstliche Intelligenz beinhalten oder Preventive oder Big Data, sondern es sind erstmal schlanke Lösungen, vielleicht auf einem mobilen Endgerät, um die Prozesse besser und schneller zu machen. Also die mobile Instandhaltung ist immer ein gutes Beispiel, im Bereich der Qualitätssicherung einfach Prozesse schlanker und effizienter zu machen. Allein, dass ich ein mobiles Endgerät habe, dass ich eine angepasste Anwendung habe, alle Informationen vorliegen habe, das Ding einfach zu bedienen ist, also kein SAP-Moloch, sondern eine einfache App. Das ist eigentlich so unser Ansatz.

MAX: Woher bekommt ihr die Daten? Ansonsten ist es eher ein Software und ein Bedienbarkeits-Thema, oder? Dass es gut bedienbar ist, an einem kleineren Bildschirm, oder?

ROBERT KUTTLER: Wenige Systeme hängen nicht mit dem großen SAP zusammen, also mit dem Hostsystem. Wir docken uns in Echtzeit sozusagen an einem SAP-System an.

MAX: Hauptfokus sind SAP-Kunden oder SAP-User?

ROBERT KUTTLER: Nicht nur SAP, alle, die ein ERP-System haben. Wir brauchen das ERP-System im Hintergrund, das uns Daten liefert, wo wir Daten zurückspielen. System genaue Lösungen sind heute eher selten, wir brauchen irgendwo die Informationen, und das ist dann eben über Schnittstellen zu solchen Systemen verbunden. SAP ist quasi fast schon Standard, wir haben fertige SAP-Schnittstellen, womit wir schnell von SAP was auslesen können oder reinschreiben können.

MAX: Habt Ihr schon Kunden, wo ihr über die Instandhaltung vor Ort automatisiert Ersatzteile bestellt oder wo wirklich auch andere oder Fremdsysteme mit angebunden sind? So dass ihr über die Supply Chain hinweg agieren könnt.

ROBERT KUTTLER: So etwas gibt es schon, dass man über SAP hinweg schon agiert, direkt ins Drittsysteme geht. So etwas haben wir auch im Einsatz und auch angebunden. Es geht so weit, dass bei einem Kunden der Instandhalter an der Maschine schauen kann, ob das Ersatzteil bei mir auf Lager ist. Wenn nicht, bestelle ich es gleich. Nicht über SAP, sondern direkt und kann es dann auch gleich abholen.

MAX: Und wenn die Kugellager brauchen, ist aber immer Ludwig Meister hinterlegt?

ROBERT KUTTLER: Absolut. Das ist als Standard eingestellt (lacht).

MAX: Bei dem Thema sehe ich, vor allem bei Stammdatenthemen, bei diesen Systemen, wenn sie untereinander reden müssen, brauche ich eine Referenzierung. Es ist schön und gut, wenn der eine etwas meldet, aber wenn der Lieferant damit nichts anfangen kann, ist die Hausaufgabe nur halb gemacht.

ROBERT KUTTLER: Genau.

MAX: Da sehe ich tatsächlich großes Potenzial. Es gibt auch noch nicht so große Standardanwendungen, die das gut machen.

ROBERT KUTTLER: Absolut, SAP tut sich da schwer, spezielle Fälle abzubilden. Es gibt große Lösungen, aber man hat oft in Unternehmen eine Vielzahl von verschiedenen Prozessen. Man braucht da einfach schlanke Lösungen, die schnell helfen. Das Projekt dauert zwei bis drei Monate, dann hat er eine schlanke App auf seinem mobilen Endgerät und kann Prozesse effizienter machen. Das ist kein Jahresprojekt oder ein 3-Jahres-Projekt wie bei SAP, sondern es ist eine kurze prägnante Geschichte.

MAX: Kannst du vielleicht ein paar Beispiele geben, was ihr da an Projekten habt?

ROBERT KUTTLER: Aktuell haben wir bei einem sehr großen Kunden das Thema Eskalationsmanagement im Shop Floor. Also wenn Probleme auftreten, kann das mobile Endgerät gleich Bilder machen, kann das eskalieren, kann sagen, ich kann es jetzt nicht montieren, weil wir Dinge fehlen. Vorher war es vielleicht ein riesen Prozess, Zettel ausfüllen oder den Vorgesetzten erst fragen, entweder war es ein mündlicher Prozess, was schlecht ist oder ein sehr aufwändiger schriftlicher Prozess. Jetzt hat er sein Tablet, macht sein Foto, schickt es hoch, es kann sofort bearbeitet werden, die Kollegen werden informiert. Das ist ein Beispiel. Ein anderes Beispiel, was wir sehr häufig jetzt machen, ist das Thema digitales Schichtbuch, sowohl im manuellen Bereich als auch bei automatisierten Anlagen. Das man es nicht auf einem Zettel mit protokolliert, was alles in der Schicht passiert und wo sind Fehlerquellen, sondern elektronisch an einem mobilen Endgerät macht, dass man die Fehler später auswerten kann, nach Gründen, dass man es dokumentieren kann mit Fotos und Ton zum Beispiel. Die Anlage hört sich komisch an, man nimmt es mit dem iPad kurz auf und kann dem Instandhalter oder dem Service das Geräusch vorspielen. Was da jetzt weiterführend ist und wo wir ganz stark dabei sind, ist für Anlagenhersteller auch Maschinendaten aufzunehmen. Daten aus den Anlagen herauszubekommen über Cloud-Lösungen, bei uns wieder rein und dann auszuwerten, ob es Trends gibt von Parametern, Temperatur etc. Das ist ein neues Thema, was wir gerade anfangen.

MAX: Ist das auch kundenindividuell, weil die Sensordaten jeder Maschine individuell rauszuholen sind?

ROBERT KUTTLER: Das ist eigentlich überhaupt nicht individuell. Es gibt sowohl von Bosch Rexroth oder von Microsoft Bestrebungen, die bieten schon Geräte an, Gateways, die man in die Maschine einbaut, die sammeln diese Sensordaten, schicken sie an die Cloud, wir ziehen es dann standardisiert von der Cloud ab. Das ist der Weg, den wir jetzt gehen wollen. Ansonsten bist du natürlich dabei, bei jedem Hersteller für seine Anlage, seine Steuerung, es individuell zu machen. Dahin wollen wir eigentlich nicht und es ist der Trend, dass große Firmen solche Gateways anbieten, diese Millionen Daten sammeln, die kumulieren und dann auf einer Cloud bereitstellen für den, der dann das Frontend macht und die auswertet. Das sind in dem Falle wir.

MAX: Es ist dann so beschrieben, dass hier dieser Wert dem physikalisch gemessenen Wert entspricht, zum Beispiel Temperatur? Dann kann ich wirklich sagen, wenn ich jetzt wissen will, bei der Anwendung habe ich das Problem, dass an der Stelle die Durchschnittstemperatur um 5 Grad steigt, das muss ich mir anschauen.

ROBERT KUTTLER: Genauso, wir können zum Beispiel, die Temperatur ist immer ein gutes Beispiel, wir arbeiten jetzt mit ein paar Anlagenherstellern intensiv zusammen. Die sagen, okay, ich kenne bestimmte Kernparameter, wenn die aus dem Ruder laufen, weiß ich, dass da etwas nicht stimmt mit der Maschine. Entweder es ist ein Bedienfehler und mit der Anlage stimmt etwas nicht. Das heißt, es ist keine große Technologie und künstliche Intelligenz, sondern es ist einfach das Aufnehmen von Maschinendaten, wir legen einen Schwellenwert fest, wenn zum Beispiel das Ding über 40 Grad ist, der Zylinder, hat er ein Problem. Dann gucken wir darauf und kriegen wir eine Meldung per Nachricht, E-Mail oder Push-Nachricht: “Achtung da läuft was aus dem Ruder.” Das hat für den Anwender, den Anlagenhersteller und -betreiber natürlich den Vorteil, dass er sofort erkennt, es stimmt etwas nicht, hat aber auch für den Anlagenhersteller, mit dem wir zusammenarbeiten, natürlich den Vorteil, er kann feststellen, was der Kunde gemacht hat und welche Parameter laufen aus dem Ruder.

MAX: Man kann dann auch lernen für andere Anlagen?

ROBERT KUTTLER: Es ist relativ trivial, aber bisher nie so in der Form da gewesen.

MAX: Meine Sorge war immer, dass wir am Ende in einer Welt von tausend Insellösungen leben. Dann kann ich nichts kombinieren. Aber wenn es erste Kombinationsthemen gibt oder Chancen, das wäre super.

ROBERT KUTTLER: Obwohl Microsoft selbst jetzt wenig mit Maschinen zu tun hat, bieten sie Dienste an, solche Sensordaten zu kumulieren. Das ist der Weg, dass man sagt, die Maschinenhersteller arbeiten mit Standards von großen Firmen zusammen. Von Insellösungen sind wir auch logischerweise kein Freund, weil es sehr aufwändig und fehleranfällig.

MAX: Das wäre grundsätzlich ein Thema, da würde ich gern ein bisschen dranbleiben. Wir sollten uns vielleicht nochmal dazu austauschen.

ROBERT KUTTLER: Wir sind nicht am Ende, eher am Anfang. Wir arbeiten mit Maschinenherstellern zusammen. Das Thema verfolgt uns sicher die nächsten zwei Jahre. Wir wollen ein fertiges Produkt anbieten. Das Thema ist sehr spannend, es wird sehr nachgefragt vom Markt. Das glaube ich ist stark im Kommen.

MAX: Also nicht nur irgendwelche Podcast-Menschen haben daran Interesse, sondern auch echt existierende Kunden?

ROBERT KUTTLER: Genau.

MAX: Was sind die Themen, in die ihr im Bereich Consulting und Analytics hauptsächlich investiert momentan?

ROBERT KUTTLER: Bei Consulting investieren wir sehr stark in Fabrikplanungsbereich: innovative Ansätze. Das sind in unseren Bereichen Drohnen zur Unterstützung bei der Werksstrukturplanung, also wir fliegen mit Drohnen über dein Werk drüber, vektorisieren das Ganze und können dann einen Werksanbau planen. Es gibt keinen, der es sonst so macht. Eine Drohne ist auch für Indoor ein Thema, z. B., wenn eine Drohne durch eine Halle fliegt, um Bestände aufzunehmen mit QR – Code. Wir experimentieren damit und haben schon Projekte im Einsatz, wo wir es mit dem Kunden realisiert haben. Das zweite Thema ist das Fabrikplanungsbereich, was uns sehr stark beschäftigt, ist das Thema Data Mining. Ich glaube daran, dass wir da stark sind für den Kunden, aus seinen Daten Erkenntnisse zu ziehen, woraus wir Lösungen bilden können, die man sonst nicht machen kann. Jeder andere, der Data Mining nicht machen kann, wir stecken sehr viel Energie, sei es mit Softwareunterstützung, mit Knowhow, mit Ressourcen, rein, um Data Mining bei Kunden und Projekten im Fabrikplanungsbereich machen zu können.

MAX: Ich habe den Begriff schon gelesen, aber was bedeutet er genau?

ROBERT KUTTLER: Zum Beispiel, wir schauen auf die Fertigungsdaten des letzten Jahres. Es sind Millionen Datensätze, alle Aufträge, alle Positionen und können dann Rückschlüsse ziehen und zum Beispiel sagen, du hast scheinbar immer am Donnerstagabend bei der Maschine ein Problem, weil wir aus diesem Datenwust ein Muster erkennen, was man nicht erkennt, wenn man es in einer normalen Datenbank sich anschaut. Wir können daraus Schlüsse ziehen, wie man Sachen besser machen kann, Steuerungsthematiken besser machen. Wir beherrschen große Datenmengen und können daraus Schlüsse ziehen, Muster erkennen.

MAX: Die Auswertungen und Visualisierungen macht ihr die mit selbst programmierten Tools oder sind es Fremdtools die ihr da einsetzt?

ROBERT KUTTLER: Wir setzen Software ein, es gibt mittlerweile extrem gute Software für den Bereich Data Mining, die weit über Excel oder der Datenbankanwendung herausgehen. Wir haben nichts Eigenes programmiert. Wir haben uns Software gekauft, mit der wir diese Themen bearbeiten.

MAX: Wie viel Schulung braucht man, wenn man da etwas sehen will?

ROBERT KUTTLER: Es ist nicht mehr so schlimm, wenn man sich mal eine Woche damit beschäftigt, kriegt man schon Sachen raus, die man die letzten fünf Jahre nicht herausbekommen hat mit Excel oder mit einer Access-Datenbank. Es ist relativ effizient, die Tools sind heute so bedienerfreundlich, dass es eigentlich jeder, der ein bisschen einen Hang zum Mathematischen hat, relativ schnell lernen kann und daraus Nutzen ziehen kann.

MAX: Wir nutzen noch diese Public-Version von Tableau und da ist es jedes Mal so, wenn ich davor sitze, muss ich mich neu reindenken, weil ich es nicht so oft mache.

ROBERT KUTTLER: Tableau ist tatsächlich eins was wir nutzen, es gibt noch ein Zweites, das ist der Rapid Minder. Das ist fast noch ein bisschen bedienerfreundlicher. Klar, wir beide sind vielleicht da nicht so die mathematischen Menschen. Wir haben da Leute, die sich sehr dafür begeistern und wahnsinnige Sachen herauszaubern, vor Jahren hätten wir nie daran gedacht, dass man solche Erkenntnisse daraus ziehen kann.

MAX: Ich würde gerne mal einen Schulterblick genießen, das Thema ist interessiert. Viele haben relativ große Berührungsängste, weil sie es noch nicht ausprobiert haben. Viele kriegen die Daten auch nicht so strukturiert raus, dass sie in dem Fall es wirklich auch analysieren können.

ROBERT KUTTLER: Es gibt zwei Aspekte, die nicht mehr so tiefgründig sind. Bei diesen Tools, Data Mining, das eine ist, der Kunde liebt es, wenn er interaktiv Sachen sieht. Wenn der Beratungsansatz ist, wir machen eine tolle Folie auf Excel und zeigen es dem Kunden und sagen, so ist es. Mit diesen Tools haben wir die Möglichkeit, das Ganze interaktiv beim Kunden zu machen. Wenn der Kunde fragt, was vor einem halben Jahr war, schalten wir um und zeigen es. Diese Interaktivität von diesen Tools ist ein riesen Mehrwert. Die Darstellungsform ist teilweise plastisch und besser als bei konventionellen Tools.

MAX: Anomalien, wenn sie optisch dargestellt sind, erkennt man viel besser, weil ich plötzlich einen Punkt habe, der nach rechts oben abweicht. Wenn man ihn anklickt und guckt, woher er kommt, hat man ein ziemlich gutes Argument, warum er dort ist. Aber erkennt es relativ schnell.

ROBERT KUTTLER: Deswegen investieren wir in den Bereich Analytics und Softwareentwicklung sehr stark, in die Ressourcen hauptsächlich, in Softwareleute, weil wir sehen, dass Potenzial da ist. Es ist ein hartes Geschäft, Software ist nicht immer lustig. Irgendwann ist es surreal, vor allem wenn es verwendet wird und nicht nur in der Schublade landet. Aber wir investieren stark in den Bereich Digitalisierung und Softwareentwicklung – als zweites Standbein sag ich jetzt mal.

MAX: Eine Frage, die hat vielleicht mit dem Thema Supply Chain nicht so viel zu tun, aber ist aber für viele wichtig. Wie schafft ihr es mit dem Recruiting hier noch vor Ort?

ROBERT KUTTLER: Unser Vorteil ist die Hochschulnähe, historisch bedingt haben wir Zugriff auf Absolventen, wir arbeiten viel mit Diplomanden, also Masteranden und sonstigen Arbeiten. Wir versuchen, sehr stark in die Unis und FHs schon mal reinzukommen, um unseren Nachwuchs zu rekrutieren. Aufgrund unserer Größe sind es 30 Leute, wir schaffen es, den Bedarf, den wir jetzt haben, noch irgendwo zu bekommen. Es wird schwieriger, wenn wir hier 100 Leute brauchen. Wenn wir jetzt 5 Leute brauchen, dann schaffen wir das in der Regel. Wir gucken, dass wir die Besten haben und wo es halt am besten passt.

MAX: Vorhin hattest du zum Thema Cloud etwas gesagt, dass du ein großer Freund davon bist. Ich weiß, dass du das eine oder andere Mal bei uns warst und dich freust, dass deine Daten in der Cloud sind, weil deine Geräte abhandengekommen sind. Eine Frage zwischen drinnen: Wann hast du dein letztes Laptop im Flugzeug vergessen?

ROBERT KUTTLER: Noch nie, ich bin ein Technikmensch und liebe meinen Laptop. Ich habe kein Papier mehr, das würde ich niemals vergessen. Allerdings habe ich die schlimme Erfahrung vor zwei, drei Jahren gemacht. Da wurde tatsächlich mein Notebook in Moskau direkt aus dem Hotelzimmer geklaut. Ich war zum Essen raus und als ich hochkam, war er weg.

MAX: Die Daten konntest du alle retten?

ROBERT KUTTLER: Das ist kein Problem, ich habe ein ausgeklügeltes Sicherungskonzept, aber es ist immer ein bisschen schade. Man hat ein ungutes Gefühl, wenn es nicht mehr da ist.

MAX: Das mag man nicht, das kann ich verstehen. Ich hatte in Erinnerung, dass du zu uns gekommen bist und gesagt hast, du hast heute kein Laptop dabei, weil du es im Flugzeug vergessen hast.

ROBERT KUTTLER: Das ist mir einmal passiert, dass es geklaut wurde.

MAX: Ich habe dich vollkommen zu Unrecht verdächtigt! Kommen wir zur letzten Frage, was war deine letzte Heldentat im Thema Supply-Chain-Management?

ROBERT KUTTLER: Ich muss dich enttäuschen, es war nicht im Supply-Chain-Management. Es war genau am 16.08., also letzte Woche, einen Tag nachdem mein Sohn Moritz, der jetzt 4 ist, das Radfahren gelernt hat, bin ich auf die Wahnsinns- Idee gekommen, mit ihm zum Spielplatz mit dem Fahrrad den Berg runter zu fahren. Die Betonung liegt auf „runter“, ich habe allerdings seine Fähigkeiten zu Bremsen unterschätzt.

MAX: Okay?

ROBERT KUTTLER: Er wurde immer schneller und ich bin neben ihm hergefahren, habe nur noch einen Sprung von meinem Fahrrad gemacht, konnte ihn stoppen. Ich habe hier eine Wunde, kann ich dir zeigen. Ihm fehlt nichts, aber mir. Das war meine letzte Heldentat aus einer ganzen Reihe von Heldentaten natürlich. Aber das war die letzte.

MAX: Und es ist eine wichtige, das kann ich verstehen. Sehr schön. Cool, war sehr interessant.

ROBERT KUTTLER: Super, vielen Dank für die Möglichkeit.

MAX: Ich freue mich in dem Fall von den Zuhörerinnen und Zuhörern über ein bisschen Feedback. Wenn noch Fragen sind, können wir die vielleicht später nochmal in einem kleinen Podcast nochmal neu aufgreifen. Ich glaube, da sind einige interessante Sachen dabei und wir haben uns auch immer gern wenn wir zusammengearbeitet haben.

ROBERT KUTTLER: Absolut, stimmt.

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