Change to lean – Management von Veränderungsprozessen hin zum schlanken Unternehmen

Max Meister im Gespräch mit Dr.-Ing. Julia Boppert, Geschäftsführerin trilogIQa, München

„Brauchen wir überhaupt mehr Platz für Paletten? Wo fangen wir an unsere Prozesse in kleinen Schritten zu optimieren?“

Nur eine Frage von vielen, die Dr. Julia Boppert und Max Meister in diesem Podcast über Methoden der Prozessoptimierung auf der Grundlage von Lean Prinzipien erörtern. Spannende Randnotiz: Dr. Julia Boppert hat Max Meister zum Ende seines Studiums bei seiner Diplomarbeit betreut.

Bei der Einführung von Lean in Unternehmen oder auch bei der Umsetzung von Lean-Projekten entsteht immer wieder auch die Herausforderung, Mitarbeiter auf die anstehenden Veränderungen vorzubereiten oder auch auf dem Weg durch die Veränderung mitzunehmen. Dieses und viele andere Fragen, wie z.B. was ist eine Wertstromanalyse, werden in diesem Podcast behandelt.

Viel Freude beim Hören und vermehren der Einsichten über „change to lean“.

Und wie immer Kommentare und Anregungen gerne unter max@supplychainhelden.de

 

Transskript

Transskript/Links

 

MAX MEISTER: Okidoki. Willkommen zu einer neuen Folge von Max und die SupplyChain-Helden. Heute eine ein bisschen schwierigere Folge für mich, weil ich gut aufpassen muss, dass ich auch echt zu Wort komme. Mein heutiger Gast ist Doktor Julia Boppert von der TrilogIQa und in dem Fall muss ich noch sozusagen als Disclaimer vorwegschieben, warst du auch die Betreuerin meiner Diplomarbeit. Da weiß ich nicht genau, ob wir heute drüber sprechen wollen, aber/

JULIA BOPPERT: Ich denke, da haben wir viel drüber gesprochen Max, das passt schon.

MAX MEISTER: Ja genau. Das ist ein bisschen her.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Also absolute Lean-Expertin und jeder der mich kennt, weiß, dass ich Lean sehr spannend finde, aber noch nicht zufrieden bin, wo wir hier stehen, auf dieser Reise und deswegen freue ich mich, dass du dir heute Zeit nimmst.

JULIA BOPPERT: Dankeschön, ich freue mich auch.

MAX MEISTER: Sehr gut. Also fangen wir mal an. Euer Slogan ist Change to Lean?

JULIA BOPPERT: Mhm (bejahend).

MAX MEISTER: Und du hast auch im Vorgespräch oder bei uns im Firmenrundgang gesagt, das Wichtigste ist ja, dass am Ende ein Kundenmehrwert rauskommt. Wir wollen keine große Werbeshow machen, aber ich möchte trotzdem vielleicht ein, zwei Sätze von dir hören, was macht ihr denn und wie stellt ihr sicher, dass eure Kunden auch echt am Kundenmehrwert arbeiten und nicht irgendwie an Prozessen, die keinen interessieren?

JULIA BOPPERT: Mhm (verstehend). Ich glaube, eigentlich ist mit dem Wort Lean und Lean hat ja schon in der Bedeutung an und für sich den Kundenwert und das ist auch ein Prinzip, das wir einfach leben. Also wir haben Kunden, die erklären uns im Vorfeld, was sie an Problemen sehen. Vielleicht ist das dann auch die Wahrheit, vielleicht haben sie aber ihre Baustellen ganz wo anders und können das noch nicht im ersten Schritt sehen. Und für uns ist es eigentlich wirklich essenziell rauszufinden, was den Kunden weiterbringt, entweder bei seinem Kunden oder in Bezug auf die Themen, die ihn umtreiben. Und wir versuchen, den Kunden nicht nur jetzt wie viele klassische Beratungen das machen, mit Lösungen auszustatten und zu sagen, hier viel Spaß und lebe damit. Sondern wir versuchen den Kunden Schritt für Schritt dahin zu führen, dass er es nachher auch selber kann und begleiten ihn bis es dann auch im normalen Betrieb robust läuft.

MAX . Jetzt muss man da ein bisschen im Detail drauf gehen. Jetzt gibt es ja Lean in allen Unternehmensbereichen, gibt es für alle, sage ich mal, verschiedene Unternehmensarten. Sag mal ein, zwei Beispiele für Kunden, die ihr betreut und was ihr da konkret gemacht habt.

JULIA BOPPERT: Also wir haben, weil ja Lean immer oder weil ja eigentlich jeder von uns in irgendeinem Prozess einen Kunden hat und er in irgendeiner Form ein Wertverständnis hat, kann man mit Lean auch alles erst einmal bearbeiten. Und wir haben sehr unterschiedliche Kunden. Wir haben viele produzierende Unternehmen, die sind zum Teil aus dem Maschinenbau, zum Teil Automotive. Wir haben viele Logistikdienstleister. Wir haben viele, sage ich mal, E-Commerce-Handelsunternehmen. Wir haben aber auch, sage ich mal, ein bisschen ungewöhnliche Kunden, wie pharmazeutische Herstellbetriebe. Wir haben IT-Kunden, die dann wirklich auch ihre IT-Prozesse schlank und wertschöpfungsorientiert aufsetzen wollen. Und insofern ist es für uns jeden Tag wieder was Neues, was wir sehen, was wir erleben dürfen.

MAX MEISTER: Okay. Und wenn ich jetzt, also eine Branche, mit der ich mich ein bisschen auskenne ist Maschinenbau. Wenn ich mir jetzt einen klassischen Maschinenbau vorstelle, was sind da so Anfragen, die ihr bekommt und wie geht ihr damit um?

JULIA BOPPERT: Wir kriegen oft sehr klassische Maschinenbau, klassische Anfragen, wir brauchen ein neues Lager. Das ist oftmals so eine klassische Anfrage, die wir kriegen. Manchmal ist es auch so, manchmal braucht man vielleicht bloß bessere Prozesse im bestehenden Lager. Und das ist dann auch was, was wir versuchen gemeinsam mit dem Kunden erst einmal herauszufinden. Also was wirklich die Problemstellung ist, was ihn umtreibt und wofür er konkret Lösungen sucht.

MAX MEISTER: Okay. Dann habt ihr, ich versuche das noch ein bisschen weiter zu spinnen, mal bei dem Maschinenbau, habt ihr herausgefunden, der braucht eigentlich kein neues Lager, sondern/

JULIA BOPPERT: Nee, der braucht vielleicht nur kürzere Durchlaufzeiten, dann muss er gar nicht mehr so viel lagern.

MAX MEISTER: Okay. Also eine gute Erkenntnis wäre dann, dass er vielleicht irgendwie auf eine Pull-Steuerung umstellt. Also in dem Fall muss ich noch aus meiner Diplomarbeit sagen, da hast du mich durchgeprügelt, war diese Wertstromanalyse.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Aber vielleicht, um sozusagen den oder die Zuhörerin oder Zuhörer ein bisschen zu inspirieren, was sind dann Fragen, die du stellst? Also ich bin jetzt der Maschinenbau und ich sage/

JULIA BOPPERT: Und du hast zu lange Durchlaufzeiten? Nee, du glaubst, du brauchst ein neues Lager?

MAX MEISTER: Genau. Also das stimmt übrigens, brauche ich immer.

JULIA BOPPERT: Na klar.

MAX MEISTER: Ich brauche sozusagen ein größeres Lager

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Was sind dann Fragen, die dich umtreiben, um das ein bisschen zu bewerten?

JULIA BOPPERT: Also ich würde dich natürlich fragen, warum du ein neues Lager brauchst. Dann würdest du mir natürlich erzählen, dass du wahrscheinlich sehr viele Teile lagern musst, weil, du willst ja immer lieferfähig sein. Dann würde ich mir das mal angucken, ich würde mir das vor Ort angucken. Ich würde auch so eine verrückte Wertstromanalyse machen, also bin ich immer noch bei all unseren Analyseprojekten ein ganz großer Fan, weil ich mich zwinge, alles zu verstehen und weil ich dich zwinge, alles zu verstehen und mir alle diese Informationen zu geben, die mir ein vollständiges Lagebild zu deiner Situation geben.

MAX MEISTER: Okay. Jetzt haben wir es schon zwei Mal genannt, vielleicht kannst du mal im Detail beschreiben, was ist eine Wertstromanalyse und wie führst du die durch?

JULIA BOPPERT: Also das Ergebnis einer Wertstromanalyse ist eine grafische Darstellung, wo man sieht, wie ein sogenannter Kunde-Kundeprozess vollständig abläuft. Das heißt, in der Regel vom Kundenauftragseingang über irgendwelche auch externen Prozesse, zum Beispiel Bestellungen bei Lieferanten, die aber auch vorgelagert sein können, also auf Basis von Prognosen oder Ähnlichem, über alle internen Prozesse, die eben dann wieder dazu da sind, diesen Kunden irgendwann mit einem fertigen Auftrag, einem fertigen Paket, einer fertigen Produktzusammenstellung zu beliefern. Und das alles in einem Bild ist das, was sich Wertstrom nennt.

MAX MEISTER: Okay. Und der Trick dabei, also bei uns war damals, dass man am Ende anfängt?

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Also dann fragt man immer sozusagen im Warenausgang, oh, was kommt denn da vor, um die Leute maximal zu verwirren.

JULIA BOPPERT: Genau.

MAX MEISTER: Damit die wirklich nachdenken, weil, ansonsten erzähle ich dir irgendwas von Wareneingang bis Warenausgang und das war damals nicht so unbedingt die Geschichte, wie es wirklich ausgesehen hat.

JULIA BOPPERT: Also das ist der eine Gedanke, mit diesem Rückwärtsgehen, dass man die Leute ganz bewusst in eine andere Perspektive bringt. Der zweite Gedanke ist natürlich, wenn Lean sagt, das Oberste und Wichtigste ist der Wert für den Kunden, dann gehst du natürlich vom Kunden rückwärts. Also damit du auch immer sozusagen mit der Brille des Kunden, des externen Kunden, aber auch dieser internen Kunden, also letzter Prozessschritt, in die vorherigen Abläufe reinguckst und dann hast du viel besser auch für dich im Blick, ob jetzt der vorherige Prozess oder der Lieferant das erfüllt, was der nächste Schritt, also der interne Kunde, auch als Wert braucht.

MAX MEISTER: Kannst du das noch einmal ganz kurz als praktisches Beispiel für einen Maschinenbauer, der Brillen herstellt zum Beispiel, mal beschreiben? Also deswegen, meine Brille liegt hier, das war das einfachste Beispiel, das ich grade habe.

JULIA BOPPERT: Okay. Also wir haben einen Brillenhersteller, ja? Jetzt glaube ich, dass dieser Wertstrom wahrscheinlich in einem Fachgeschäft enden müsste, ja? Weil letztens ist es ja nicht, also nicht jede Brille ist ja so die gleiche, sondern es ist wahrscheinlich das Gestellt das Gleiche, aber zumindest die Gläser werden ja für dich individualisiert. Also sagen wir mal, wir machen nur die Gestelle, ja?

MAX MEISTER: Okay. Brillengestell-Hersteller Max Brillus.

JULIA BOPPERT: Brillengestell-Hersteller.

MAX MEISTER: Gut.

JULIA BOPPERT: Also du hättest vom Prinzip her deine Kunden dann als Fachgeschäfte oder vielleicht große Ketten, die Fachgeschäfte betreiben und wir würden jetzt mal rausfinden, was diese Kunden eigentlich von dir haben wollen, ja? Das wäre mal der erste sehr wichtige Schritt, weil, da würdest du mir natürlich erzählen, was die immer schon haben wollten, was die noch nie haben wollten, was alles da nicht geht und wir würden uns gemeinsam dahintasten, was davon wirklich die Wahrheit ist und was vielleicht so überliefertes Wissen vom Vater an den ältesten Sohn und so weiter ist, ja? Also wo alle der festen Überzeugung sind, das ist so, das muss so bleiben. Man hat vielleicht aber mit dem jeweiligen Kunden gar nicht wirklich gesprochen, um zu wissen, ob der überhaupt diese Einstellung auch noch so hat. Also das wäre der erste und sehr, sehr aufwendige Schritt auch, dass man nämlich nicht nur einfach runterschreibt, was man denkt, was ein Kunde will, sondern dass man vielleicht sogar verrückterweise mit diesem Kunden mal ins Gespräch geht und rausfindet, ob er das wirklich will. Wenn wir das wüssten, dann wüssten wir auch schon, mit welcher Brille, das passt jetzt ganz witzig in dieses Beispiel, wir auf diesen ganzen Prozess bei euch gucken. Weil, dann wüssten wir ja, was der Kunde eigentlich will und dann könnten wir immer wieder hinterfragen, ob die Schritte und die Abläufe, die ihr habt, auch dazu beitragen, dass dieser Kundenwert entsteht.

MAX MEISTER: Okay. Also ein abstraktes Beispiel wäre in dem Fall, du sprichst mit dem Endkunden oder mit dem Fachgeschäft und sagst, okay, wie würdest du denn gerne die Anlieferung haben?

JULIA BOPPERT: Und wie häufig und welche Mengen würdest du bestellen wollen und so weiter. Ja?

MAX MEISTER: Genau und dann würde ich wahrscheinlich oft aus meiner Erfahrung sagen, ja, der will einmal in der Woche beliefert werden und der will das alles in einer Lieferung haben, damit er dann da nicht so viel Abfall hat. Und jetzt für dein Beispiel, könnte aber sein, dass der Kunde sagt, nee, eigentlich wäre es mir am liebsten, ich kriege jeden Tag eine Zustellung und da sind nur drei Brillen drin.

JULIA BOPPERT: Genau und vielleicht sind die sogar noch in der Reihenfolge, in der ich sie dann wieder ins Regal einlagre, weil die Kunden zur Abholung kommen. Ja.

MAX MEISTER: Okay. Und dieser Prozess, würdest du sozusagen vom Kunden anfangen und dann zurückgehen und dann würdest du jetzt bei mir, dem Brillenfabrikanten, würdest du im Warenausgang nachfragen, wie kommt es bei dir an? Wie könntest du es am besten brauchen? Und so würdest du dich eigentlich zurückhangeln?

JULIA BOPPERT: Ja. Genau. Und ich würde mir einfach wirklich jeden Prozessschritt angucken. Also natürlich die physischen Materialflüsse, aber auch das, was in administrativen Bereichen passiert. Also wie funktioniert das Ganze mit Auftragseingang, mit Ordermanagement, wann ist der Kundenauftrag vielleicht auch der Produktionsauftrag oder was passiert da zwischendrin noch. Und bis hin, das kommt jetzt ganz drauf an, wie viel du auf einen Schlag wissen willst, in dein eigenes Lieferantennetzwerk. Weil, irgendwo wirst du ja auch Teile beziehen oder halt Kunststoffgranulat für deine Brillen beziehen oder vielleicht auch Metalle für deine Brillen beziehen, je nachdem wie groß dein Sortiment sein soll und wie bist du mit deinen Lieferanten in diesem Netzwerk verbunden?

MAX MEISTER: Okay. Also da kommen wir nachher noch einmal drauf zurück, weil, ich werde dir nachher auch noch einmal die Frage dann aus der Brille von Ludwig Meister sozusagen stellen. Vielleicht zum Abschluss, also das heißt, du kriegst Anfragen von Maschinenbauern oder von Logistikern, E-Commerce-Firmen, aus unterschiedlichsten Branchen mit konkreten Anfragen, ich habe das und das Problem, bitte hilf mir. Jetzt haben wir gesagt, du hast ein strukturiertes Interview oder machst ein gewisses, sage ich mal, einen Ablauf, um erst einmal herauszufinden, was denn eigentlich das Thema ist. Was sind mögliche Lösungen? Da würde ich gerne noch abstrakt noch ein paar hören, dass man so ein Gefühl dafür haben kann, ja.

JULIA BOPPERT: Also ich muss sagen, bei uns ist, also die Lösung ist ja meistens noch ein Stückweit weg. Erstens geht es ja wirklich drum, über die Analyse da mal rauszufinden, was ist die Ursache für das Problem, das dort vorliegt und dann kann die Lösung sein, dass man einfach sagt, okay, ihr müsst eure Prozesse anders aufstellen. Was ganz oft das Thema ist, also in produzierenden Unternehmen, es wird falsch gesteuert. Also die Prozesse sind nicht so gesteuert, dass sie miteinander harmonisch in einem Fluss sind, ja? Also Fluss ist ja auch das, was man im Lean immer hört. Das hört sich super easy an, aber an und für sich ist es oft so, dass du über das, wie du Aufträge reingibst, über das, wie du zum Beispiel auch in diese Prozesse reinschiebst, gar nicht dafür sorgst, dass diese Prozesse in einen harmonischen Ablauf miteinander kommen können. Und das ist auch das, warum du dann oftmals zwar nicht das vorher formulierte Problem, aber das echte Problem hast, dass Mitarbeiter unzufrieden sind, dass auch junge Mitarbeiter, also im Sinne von wenig erfahrene Mitarbeiter, oft nicht gut klarkommen. Das sind alles so Themen, die du über den Prozess, über den harmonischen Ablauf in Prozessen auch besser in den Griff kriegen kannst. Und das ist dann meistens so, dass wir sagen, okay, das sind an und für sich aus der Analyse raus die Themenfelder, die sich ergeben haben. Daran müsst ihr arbeiten und dann entscheiden wir mit dem Kunden gemeinsam, was davon macht er selbst, was davon macht er mit uns und was davon macht er vielleicht auch halb begleitet, also im Sinne von, er erarbeitet sich die nächsten Schritte, dann gucken wir wieder gemeinsam drauf, er trifft die nächsten Entscheidungen. Das ist ganz unterschiedlich, je nachdem, was eben auch in diesem Fall für unsere Kunden einen Wert darstellt.

MAX MEISTER: Okay. Also ich versuche noch einmal schnell in meinen Worten zusammen zu fassen, bevor wir dann noch einmal ins Praxisbeispiel kommen. Ihr macht ja Analyse, ihr schaut, was für Problemfelder, Themenfelder, Aufgaben gibt es. Ihr versucht, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und wenn ich es richtig verstanden habe, macht ihr auch Begleitung dann über Schulungen, über vielleicht Feedbackgespräche, begleitete Feedbackgespräche, je nachdem, was halt der Kunde wirklich braucht, oder?

JULIA BOPPERT: Ja und im Zweifelsfall stehen wir unten, bauen mit dem einen neuen Arbeitsplatz auf, kleben die Bodenmarkierungen und schauen, dass die Mitarbeiter da über einige Tage eben auch die Unterstützung brauchen, die sie brauchen, bis sie den neuen Prozess verstanden haben.

MAX MEISTER: Okay. Zu dem Thema konstruieren wir vor Ort und kleben wir Bodenmarkierungen melde ich mich nachher noch einmal.

JULIA BOPPERT: Okay.

MAX MEISTER: Okay. Also dann lass uns mal in das konkrete Beispiel hier bei Ludwig Meister noch einmal springen. Wir haben jetzt einen Firmenrundgang gemacht. Wir haben hier einiges automatisiert. Wir haben aktuell die Situation, dass wir eigentlich, ja, Palettenstellplätze bräuchten, aus UNSERER Sicht, ja? Weil wir einfach einen Teil davon abbauen mussten, schöne Umsatzentwicklung haben. Also das heißt, ich würde dich jetzt anrufen und würde sagen: „Julia, du, ich brauche 5000 Palettenstellplätze.“

JULIA BOPPERT: Dann würde ich sagen: „Warum?“ Ja?

MAX MEISTER: Ja.

JULIA BOPPERT: Das Spiel hatten wir ja schon öfter.

MAX MEISTER: Genau. Genau, das kennst du schon.

JULIA BOPPERT: So. Also würden wir dann gemeinsam ein bisschen drüber diskutieren, was ist jetzt wirklich dein Setting, warum glaubst du, dass du die brauchst? Du würdest natürlich ganz fest davon überzeugt sein, dass du die brauchst. Ich würde jetzt natürlich erst einmal pauschal die Gegenperspektive vertreten und so tun, als würdest du sie nicht brauchen. Einfach, damit wir da mal ran tasten, was wirklich so die Veränderungen in eurem Umfeld oder auch intern sind, die dich jetzt dazu bringen, dass du diesen Bedarf siehst. So.

MAX MEISTER: Okay. Dann würde ich mal kurz, wir spielen das mal durch.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Also warum brauchen wir 5000 Palettenstellplätze? Weil wir einen stark steigenden Bestand haben, damit wir lieferfähig für unsere Kunden sind.

JULIA BOPPERT: Dann würde ich natürlich sagen, kannst du denn nicht öfter einkaufen bei deinen Lieferanten?

MAX MEISTER: Das kann ich zum Teil machen. Das Problem ist, ich habe bei manchen Sachen natürlich Staffelpreise, das heißt, wenn ich zehn Mal im Jahr zehn Stück kaufe, kriege ich einen deutlich schlechteren Preis, wie wenn ich einmal hundert Stück kaufe. Das kann ein Grund sein. Und der andere Grund ist tatsächlich, dass die Anzahl der verschiedenen Artikel, die wir lagernd haben und auch die unsere Kunden bei uns kaufen, immer weiter steigt.

JULIA BOPPERT: Also dass das natürlich für euch so, ich sage mal, im Sinne von Einkaufsvorteile, ein Riesen Hebel ist, dass ihr größere Mengen einkauft. Was ich mich auch noch erinnern kann, ist natürlich, dass ihr viele Produkte auch gar nicht so schnell beziehen könnt, wie euer Kunde die vielleicht von euch haben will. Also dass ihr aufgrund dieser erhöhten Wiederbeschaffungszeit, die sich jetzt wahrscheinlich in den letzten Jahren bei euch auch nicht deutlich verbessert hat, einfach auch in Lagerung gehen müsst. Das kann der zweite Hebel sein. Und so würden wir vielleicht dann gemeinsam rausarbeiten, dass es nicht 5000, aber immerhin 3500 Paletten sind, ja?

MAX MEISTER: Okay. Das wäre ja schon eine deutliche Reduktion von den Baukosten, sage ich mal.

JULIA BOPPERT: Die dir gar nicht so gefallen könnte, ja?

MAX MEISTER: Ach doch, doch, doch. In dem Fall, wenn es kleiner wäre, würde mich jetzt hier nicht stören, weil das Volumen, das man für so viele Paletten natürlich bauen muss, ist wirklich groß.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Okay. Also das heißt aber, sagen wir mal, wir einigen uns auf 3500 Paletten?

JULIA BOPPERT: Wir haben das natürlich ordentlich hergeleitet. Ja, ja.

MAX MEISTER: Ja, ja, ist ja auch kein Podcast, sondern es ist ja ein Beratungsworkshop.

JULIA BOPPERT: Eben, ja.

MAX MEISTER: Der geht über zwei Tage.

JULIA BOPPERT: Mindestens. Wenn du gute Daten hast.

MAX MEISTER: Wenn ich gute Daten habe, dann brauche ich meine Experten und so, vollkommen klar. Also das ist jetzt nur ein abstraktes Beispiel.

JULIA BOPPERT: Mhm (verstehend).

MAX MEISTER: Wo ich jetzt sozusagen das Thema Lean fast noch als noch wichtiger bei uns ansehe, ist, wir haben sehr viel automatisiert, das funktioniert gut und das neue Palettenregal werden wir da auch sicher optimal anbinden. Womit ich nur nicht zufrieden bin, ist, mit dem Thema kontinuierliche Verbesserung und ich sage mal, viele Arbeitsabläufe, die nicht der Kernlogistikprozess sind. Heißt, Müll wegbringen. Heißt, Maschinenwartung von zentralen Anlagen.

JULIA BOPPERT: Also alles, was so in die Organisationsform fällt, mache ich dann, wenn ich Zeit habe.

MAX MEISTER: Genau. Und dran denke. Jetzt haben wir den Rundgang gemacht, du hast da ein paar Sachen gesehen. Wir versuchen uns da auch ein bisschen zu helfen, mit und Ähnlichem. Wie würdest du denn jetzt da einsteigen und sagen, Max, da ist echt noch Potential? Was würdest du tun?

JULIA BOPPERT: Also weil ich dich ja jetzt schon ein bisschen länger kenne, würde ich dich ja auch da fragen, warum willst du das? Also was stellst du dir vor unter kontinuierlicher Verbesserung?

MAX MEISTER: Ich glaube, wenn wir sozusagen, also das ist sozusagen, wie ich arbeite.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Wenn ich eine Tätigkeit zwei Mal mache, dann überlege ich beim zweiten Mal, kann ich die automatisieren oder kann ich die digitalisieren oder kann ich sie mir sozusagen vereinfachen. Warum mache ich das? Damit ich in Summe gesehen einfach, ja, mehr Freizeit habe und meistens fallen mir dann andere Sachen ein und dann mache ich halt irgendwas in der Zeit. Und ich glaube, wenn wir das bei uns hinkriegen würden, dass wir kontinuierlich verbessern, dann müssten wir auch gar nicht immer die Riesen Schritte machen, mit Riesen Automatisierungen, die immer eine große Investition bedeuten, sondern ich glaube, da steckt sehr viel Optimierungspotential drin und das, bin ich der festen Überzeugung, kommt bei unseren Kunden an. Also das heißt, das eine ist ja natürlich, klar, alles, was ich investiere, muss ich ja irgendwie auch verdienen.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Auf der anderen Seite bin ich auch überzeugt davon, wenn man kontinuierlich Prozesse verbessert, sinken die Fehler.

JULIA BOPPERT: Absolut.

MAX MEISTER: Und das ist auf jeden Fall was, das sind zwei Sachen, die beim Kunden ankommen und deswegen würde ich das irgendwie gerne besser hinbringen. Das wäre meine Antwort.

JULIA BOPPERT: Ja, also das heißt aber, du willst eigentlich, dass deine Mitarbeiter, die ja sozusagen miteinander, aber auch mit diesen automatisierten Lösungen in einem Zusammenspiel agieren, dass die jeden Tag wieder neu, ich sage jetzt jeden Tag, muss nicht jeden Tag sein, ja? Aber dass die ihre Abläufe, ihr Tun, ihre Schnittstellen hinterfragen und überlegen, womit sie zufrieden sind und was sie aber noch besser machen könnten oder was man für sie noch besser machen könnte. Das wäre dein Wunsch?

MAX MEISTER: Das wäre mein Wunsch. Beim Thema Schnittstellen horche ich immer auf, weil, was ich nicht brauchen kann ist, also/

JULIA BOPPERT: Sollen erst einmal die anderen?

MAX MEISTER: Ja genau. Also bei mir läuft es alles mega, aber hier, bei meinem Chef, da passt gar nichts. Also deswegen, Schnittstellen ja. Aber ich glaube, es hat jeder schon, also so wie ich jetzt hier in meinem Büro sitze, habe ich ja auch schon einfach in meinem Tätigkeitsfeld viel zu optimieren. Und ich wäre schon happy, wenn wir das heben, in dem Sinne. Aber du hast es richtig zusammengefasst, eigentlich das wäre mein Wunsch, ja.

JULIA BOPPERT: Warum tun sie es heute nicht? Also was denkst du, warum tun sie es nicht?

MAX MEISTER: Ich glaube, also zum einen ist es mit Sicherheit Überlast. Das war jetzt zumindest lange so, jetzt im Moment ist es nicht mehr so. Habe ich auch total Verständnis, gell? Also das ist vollkommen normal, wenn ich grade voll bin, das Alltagsgeschäft zu schaffen, dann habe ich auch nicht die/

JULIA BOPPERT: Bin ich nicht kreativ?

MAX MEISTER: Genau, dann habe ich gar keine Power, da irgendwie kreativ zu sein. Das ist das eine. Und ich glaube, obwohl wir das überhaupt so nicht vorleben, dass vielen das nicht bewusst ist, wie viel Gestaltungsspielraum sie eigentlich haben. Also wenn die mit guten Ideen kommen, dann sind die Teamleiter begeistert, dann bin ich begeistert und da geht was. Das sind, glaube ich, die beiden Hauptgründe.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Und vielleicht auch noch als Drittes, weil sie keinen Vorteil für sich drin sehen. Aber das kann ich jetzt nicht so beurteilen, das wäre jetzt spekuliert.

JULIA BOPPERT: Also ich glaube, ihr habt so ein typisches „Operativproblem“. Weil, das Setting, das, was du tun musst, also um zu reflektieren, um deinen Prozess zu verbessern, ist ja grundlegend was ganz anderes, auch von dem, wie es dich anspricht was ganz anderes, wie das operative Tagesgeschäft durchführen, im Sinne von, die Menge rausbringen, pünktlich sein, sowas. So und wenn du Menschen hast, von denen du beides dir erhoffst, erwartest, dann kannst du das in der Regel nur darüber steuern, dass du diesen Zielkonflikt, den sie haben, auflöst. Weil, wenn es jetzt drum geht, also wie du schon sagst, wir sind in der Überlast und die würden sich jetzt zu viert hinstellen und dann Kaizen Workshop machen, dann müsstest du als Führungskraft auch sagen, also seid ihr noch ganz schappi, ja? Wie wäre es, wenn wir erst einmal die Pakete machen? Und das ist genau dieser Konflikt, der ja auch bei den Menschen passiert. Also du bist für das Tagesgeschäft verantwortlich und das Tagesgeschäft ist immer dringender, als sich über Verbesserung und Optimierung Gedanken zu machen. Also wird im Zweifelsfall auch immer das Tagesgeschäft gewinnen. Das heißt, wenn du Verbesserungsprojekte machen willst, wenn du die auch zum Nachdenken bringen willst, musst du dem Verbesserungsthema einen Rahmen geben, dass du zum Beispiel jetzt sagst, also einmal in der Woche treffen wir uns und wir gehen vielleicht gemeinsam durch unsere Abläufe und also so wie man es halt im Lean auch macht, einfach, um die Leute an diese Themen ran zu führen, wir suchen nach Verschwendung. Also wir gucken, wo wir Dinge tun, die keinen Beitrag zum Kundenwert haben. Wir gucken, wo Dinge von uns gefordert werden, die eigentlich unnötig sind, wie jetzt über automatisierte Lösungen, über einen besseren Prozess, über eine andere Regel oder eine andere Vereinbarung, die wir miteinander finden, einfach auch weniger aufwendig gestalten könnten. Aber du musst es in einen strukturierten Rahmen bringen, wo auch ganz klar ist, so, jetzt ist Zeit dafür. Also ohne, dass dann andere Themen hinten runterfallen, die im Zweifelsfall immer dringender sind.

MAX MEISTER: Okay. Das heißt, du sagst, ohne einem, ich sage mal, anderes Setting, sodass man in ein anderes, sozusagen, wie sagt man, Mindset oder dass man in einen anderen Modus kommt, nicht jetzt Tagesgeschäft first, sondern jetzt wirklich, jetzt wollen wir was besser machen. Das heißt, wie sagt man, man müsste einen zeitlichen Rahmen geben und sagen, Freitag ab 17:00 Uhr/ Das ist wieder ein typischer Versprecher von mir. Wenn es geht, vielleicht nicht am Feierabend, sondern Freitag in der Früh um 8:00 Uhr macht man immer einen Kaizen Workshop. Jetzt wäre meine Frage/

JULIA BOPPERT: Wobei jetzt, das wäre jetzt noch kein Kaizen Workshop. Das wäre einfach mal, ich gebe strukturiert Zeit, vielleicht auch begleitet von jemandem, der sagt, pass auf, da und da, also ich Max habe gesehen, das ist irgendwie nicht cool, lasst uns das mal bitte gemeinsam anschauen, empfindet ihr das auch? Ist das bloß mein Eindruck, dass das irgendwie nicht ideal ist? Und dann kann man ja gucken, ob das sozusagen jetzt nur ein Impuls ist, den jetzt du dort empfindest oder ob das vielleicht sich auch mit dem deckt, was die Leute sehen, wenn sie sich die Zeit nehmen zu sehen.

MAX MEISTER: Okay. Und jetzt machen wir eine kurze Pause. (…) Okay. Und was mich jetzt oder welche Frage ich mir da konkret stelle, ist, wie könnte ich jetzt sicherstellen, dass zum einen die Kolleginnen und Kollegen auch wirklich die Themen vielleicht im Alltag schon sammeln und dann für so eine Prozessanalyse mitbringen? Und wenn du jetzt halt auf unsere Firma guckst, was wäre denn ein gutes Zeitverhältnis? Also weißt du, ich kann jetzt ja auch nicht hingehen und sagen, also der Dezember ist der Verbesserungsmonat, dann machen wir einen Monat lang nichts. Aber also wie sammle ich die Themen und welchen Raum denkst du, sollte jeder Mitarbeiter haben, um sich mit den Themen zu beschäftigen?

JULIA BOPPERT: Also ich glaube, es wäre, was man noch vielleicht vorne wegtun müsste, ist, dass man den Leuten vermittelt, was man eigentlich da tun will. Also das Mindset mitgibt. Zum Beispiel mal ganz kurz, das muss ja keine große Schulung sein, ja? Aber was ist denn überhaupt Wert für einen Kunden, was ist Verschwendung? Warum ist es nicht sinnvoll, dass ich mehr Aufwand reinstecke, als zwingend notwendig ist? Weil, dann haben sie auch den Blick, der ihnen hilft, ihre eigenen Abläufe oder auch die Abläufe von Kollegen zu hinterfragen. Dann, glaube ich, sollte man vielleicht so, je nach, ich weiß nicht, ich würde jetzt so über Prozessbereiche gehen. Gar nicht sagen, jeder Mitarbeiter, sondern ich biete sowas an, je Prozessbereich, moderiert, einmal in der Woche irgendwie, wo es euch halt gut reingeht. Also so ein Tag, wo ihr wisst, der ist einfach immer ein bisschen schwächer von den Aufträgen. Also die Wahrscheinlichkeit, dass wir es machen können, ist groß, ja? Und ich würde es wirklich auch als Angebot formulieren. Ich würde sagen, also ich nehme fünf Leute mit, wir gehen dann eine halbe Stunde durch die Halle, schauen uns was an, diskutieren dann auch konkret ein Thema. Also an einer Stelle etwas, was uns auffällt. Und dann vereinbaren wir, wie es mit diesem Thema weitergeht. Und ich würde nicht pauschal alle da rein zwingen. Also ich würde sagen, passt auf, es ist ein Angebot. Beim ersten Mal können wir es vielleicht alle gemeinsam machen und wer nachher Lust hat, sowas weiter zu machen, den nehme ich mit. Das, was ich feststelle, ist halt, also die ganz klassische 80:20 Verteilung. Du hast viele Leute, die haben Lust. Von diesen 80 Prozent hast du wenige, die dann wirklich auch produktiv sofort was beitragen. Die anderen kommen Stück für Stück. Aber du hast halt so 20 Prozent, die sind einfach ein bisschen zögerlich und sagen, warum soll ich das denn machen? Wie du schon sagst, ich bin mir gar nicht bewusst, dass ich überhaupt irgendwas beeinflussen kann. Und die haben vielleicht da am Anfang noch gar nicht den Zugang zu diesem Thema. Die wollen vielleicht auch erst einmal einfach von außen zuschauen, was da passiert. Jetzt gibt es natürlich diese Ansätze, zwing sie da durch. Da bin ich kein großer Freund von. Sondern dann lass ihnen auch die Zeit, ja? Dann sollen sie es sich angucken, was da passiert. Sie sollen vielleicht auch mal mit den Kollegen reden, wie ist es in diesen Runden. Sie sollen auch vielleicht mal ein Gefühl dafür kriegen, wie geht man mit so Ideen um? Also wie agiert die Firma mit solchen Ideen? Und vielleicht kommen sie dann nach und nach und Stück für Stück.

MAX MEISTER: Okay. Also das, glaube ich, ist ein großer Unterschied zu einigen Versuchen, die ich persönlich schon in unterschiedlichsten Bereichen sozusagen versucht habe, ist eigentlich eher als Anker, also einmalig schulen, alle schulen, vor allem auch vorstellen, was man dahinter sich vorstellt oder was man sich auch erhofft. Das, glaube ich, das kann ich verstehen. Und dann aber das eher als Angebot formulieren. Das, finde ich, ist eine gute Idee. Weil, es ist ja auch so, man ist ja schnell frustriert, wenn man sozusagen mit sieben Leuten spricht und irgendwie fünf davon können da nichts mit anfangen.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Und wenn man es als Angebot formuliert, dann hat man sozusagen im Change-Management, da heißt es ja Koalition der Willigen. Dann hat man da vielleicht ein, zwei, drei, die da wirklich Bock drauf haben.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Kann man das oder was sind deine Erfahrungen zum Thema Lean delegieren? Also jetzt halt aus meiner Sicht, ja?

JULIA BOPPERT: Ja, ja.

MAX MEISTER: Ich schreibe eine E-Mail an den Matthias, unseren Chef hier in der Logistik, den haben wir vorher unten gesehen, ich schreibe dem eine E-Mail und sage, also Matthias, jetzt werden wir Lean, viel Erfolg. Wie hoch ist die Erfolgschance?

JULIA BOPPERT: Ich hoffe, der Matthias ist, so schätze ich ihn zumindest ein, so vernünftig genug, dass er dann sagt: „Max, ich bitte um ein Gespräch.“ ja? Aber grundlegend, ich glaube, das ist jetzt bei Lean wie bei vielen anderen Themen. Man kann etwas, was nicht hat, ja nein, ein Entscheidungsbaum oder sowas, das kann man nicht einfach delegieren und sagen, so jetzt mach und viel Spaß damit. Also meine Erfahrung ist, egal bei welchem Thema, die Leute tun das, wenn sie den Sinn dahinter verstanden haben und wenn sie selber für sich auch da einen Mehrwert finden können. Das bedeutet jetzt nicht pauschal ich habe es im Leben leichter, sondern ich kann damit einen Effekt schaffen, der für mein Team gut ist, der für unseren Ablauf gut ist. Der vielleicht dafür sorgt, dass wir jetzt, auch wenn es hart ist, pünktlich rauskommen oder der uns in irgendeiner anderen Art einen Vorteil bietet. Und wenn sie das finden können, wenn sie merken, das ist eine coole Werkzeugbox, die mir da hilft, näher hin zu kommen, dann verwenden sie sie auch. Wenn sie das Gefühl haben, so gerne wie sie dich haben, aber das ist jetzt irgendeine Spinnerei vom Max, die der Max jetzt haben will, ich sehe aber eigentlich für mich und für mein Team und für meinen Prozess da keinen Mehrwert, dann werden sie es auch nicht tun.

MAX MEISTER: Ja. Also vollkommen klar, das sehe ich auch so. Jetzt vielleicht noch einmal, also ich habe die groben Schritte verstanden, was wahrscheinlich sinnvolle nächste Schritte sind. Was mich jetzt noch interessieren würde, ist, wie rege ich denn in so einem möglichen, sage ich jetzt mal, Lean-Gespräch, wie rege ich denn die Fantasie ein bisschen an? Weil, das ist ja auch nicht einfach, nur weil mich was stört, heißt es ja noch lange nicht, dass ich da und da sozusagen sofort die Lösung weiß.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Hast du da ein paar Tipps?

JULIA BOPPERT: Ja, also ich bin ja grundsätzlich der Meinung, wenn man vor Ort geht, egal ob jetzt das Gemba Walk heißt oder Firmenrundgang oder wie auch immer, oder Verschwendungssuche nennen es manche auch. Ich suche noch keine Lösung. Ich suche jetzt nur ein Problem. Also ich suche eine Schwachstelle, ich suche ein Problem. Ich versuche zu beschreiben, was mich stört. Oder jetzt aus deiner Perspektive, was dir da nicht gefällt. Und ganz bewusst würde ich dort gar keine Lösung platzieren. Also auch wenn ich schon eine im Kopf habe, ja? Das ist, glaube ich, was, was dir oft passiert. Du hast eigentlich schon eine Lösung im Kopf, die gut funktionieren würde, aber wenn du die Lösung jetzt lieferst, wirst beim nächsten Mal auch wieder du die Lösung liefern.

MAX MEISTER: Ja und wenn ich die liefre, dauert es ja erst einmal ewig lang. Das ist ja sowieso, ist ja viel besser, wenn sich jemand drum kümmert, der eh vor Ort ist und auch da Experte ist in dem Bereich.

JULIA BOPPERT: Ja genau. Weil es wieder, also letztens willst du ja erreichen, dass das Team oder diese Personengruppe für sich eine Lösung findet, mit der sie gut klarkommt. Deshalb darf die Lösung auf gar keinen Fall deine sein. Also selbst wenn du dabei bist, musst du es schaffen, wie ein Trainer den Leuten das sozusagen so nahezubringen, dass sie die Lösung definieren.

MAX MEISTER: Ja

JULIA BOPPERT: Weil, dann ist es nämlich ihre Lösung und du bist zufällig mit dabei. Und das ist eigentlich das Beste, was dir passieren kann.

MAX MEISTER: Okay. Also dann, das heißt, im ersten Step schon einmal aufschreiben eigentlich, was sind Themen?

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Ja. Also was stört mich oder wo hat man das Gefühl, das passt nicht. Wo hat man viel Bestand rumstehen oder solche Geschichten. Und wann gehe ich wie dann in den Lösungsprozess?

JULIA BOPPERT: Also du würdest ja vom Prinzip anhand dieser Schwachstellen schon sehen, was du dort für Defizite hast. Also ich habe jetzt zum Beispiel keine Skrupel so böse Wörter zu verwenden wie Problem und Defizit und Fehler, ja?

MAX MEISTER: Ach so, ja, ja.

JULIA BOPPERT: Muss man aber vielleicht auch ein bisschen drauf gucken, ob die Zielgruppe das schafft, ja? Weil, es gibt Leute, die das dann als Vorwurf empfinden, da muss man vielleicht am Wording arbeiten. Aber so wie ich jetzt euch kenne, so wie ich dich kenne, ist es bei euch, also kann man auch ganz normal sprechen.

MAX MEISTER: Ja, es ist kein Problem, ja genau.

JULIA BOPPERT: Ja genau. So und jetzt würde man vom Prinzip sagen, okay, wenn das die Dinge sind, die uns stören, wie würde denn jetzt ein besserer Zielzustand aussehen? Also ganz bewusst nicht ein Ziel, weil das dann immer oftmals sehr schwammig bleibt. Also wir wollen dann schon einen Prozess, der Spaß macht. Sondern wirklich ein Zielzustand. Also wir sind dann in der Lage, so und so viele Einlagerungen in der Stunde zu machen. Wir brauchen nur einen Mitarbeiter. Wir haben einen geglätteten Auftragseingang. Wir haben keine Peaks und wir haben keine Wartezeit. Das wäre so ein Zielzustand, ja? So und jetzt könnte man überlegen, was müsste man von dem Istzustand auf den Zielzustand verändern, damit wir zu dieser Beschreibung Zielzustand hinkommen? Und jetzt nehme ich mir eins. Also ich muss vielleicht zehn Sachen tun. Vielleicht merke ich auch unterwegs, es sind nicht zehn, sondern 24. Aber ich nehme mir immer nur eins. Und in der Regel sagt man, nimm dir eine möglichst kleine Aufgabe, die soll eigentlich so klein sein, dass du sie bis zum nächsten Tag schaffen kannst. Das ist so ein bisschen dieser Gedanke von Routine, die du reinbringst. Also jeden Tag eine kleine Verbesserung. Das hört sich alles immer so ein bisschen blumig, esoterisch an. Aber der Gedanke dahinter ist ja, wenn du Verbesserung als Routine haben willst, dann musst du die Voraussetzungen schaffen, dass es wirklich auch im Kopf eine Routine wird. Das wissen wir alle noch aus der Schule, als es dann hieß, lern ein Instrument, also vielleicht Blockflöte oder keine Ahnung was, dann hieß es ja immer, jeden Tag üben, ja? Haben wir alle nicht gemacht. Aber der Gedanke dahinter wäre natürlich gewesen, über dieses Tägliche, also nicht lang, aber täglich zumindest eine gewisse Zeit investieren, hast du es so in deiner Routine verankert, dass du es auch immer wieder tun wirst. Also dass diese Routine der Verbesserung in deinen ganz normalen Alltag integriert ist.

MAX MEISTER: Okay. Also das ist auf jeden Fall ein Zielzustand, den ich gerne erreichen würde. Also und wenn ich dann was Elementares vergesse, dann grätscht du noch einmal rein. Ich versuche es noch einmal zusammenzufassen. Also das heißt jetzt bei uns, wenn ich das Thema kontinuierliche Verbesserung implementieren will oder irgendwie wirklich zum Leben bringen will, dann muss ich zuerst herausarbeiten, warum will ich das, was ist die Vorstellung, was für einen Kundenmehrwert hat das und wie sieht das Ganze aus?

JULIA BOPPERT: Du bist gerade der Kunde. Du bist der Kunde. Du hast eine Erwartungshaltung.

MAX MEISTER: Stimmt. In dem Fall habe ich eine Erwartungshaltung, genau. Und ich versuche die zu beschreiben, stelle ich sie allgemein vor, wahrscheinlich auch in ein, zwei zusätzlichen Gesprächen. Ich muss gucken, dass die Koalition der Willigen davor vielleicht schon Bock da drauf hat. Und dann macht man in kleineren Gruppen in unterschiedlicher Zusammensetzung mit Freiwilligen, die Lust haben, da mit zu machen, ein paar Rundgänge oder Gemba Walks und dann schaut man das mal an. Dann würde ich es mir aufschreiben.

JULIA BOPPERT: Diese Freiwilligen sollten vorher noch das Mindset kriegen. Also zumindest mal die Grundlagen, dass sie wissen, worauf sie schauen sollen, ja?

MAX MEISTER: Okay. Und dann sammle ich da Themen und dann ziehe ich mich erst einmal zurück und dann denke ich da mal eine Nacht drüber nach oder fängt man sofort an?

JULIA BOPPERT: Entscheidest du jetzt, welche gemacht werden?

MAX MEISTER: Nee, auf keinen Fall. Sondern ich will erst einmal wissen oder ein Gefühl dafür kriegen, was da für Themen draufstehen und dann würdest du aber empfehlen, sozusagen sofort dann in kleineren Teams an Lösungen zu arbeiten?

JULIA BOPPERT: Ich würde vielleicht gar nicht unbedingt an Lösungen arbeiten, aber erst einmal zu sagen, was von dem stört uns jetzt so, dass wir es nicht behalten wollen?

MAX MEISTER: Okay.

JULIA BOPPERT: So und jetzt kann das Team auch sagen, also das stört uns am meisten. Und dann ist es vielleicht, das ist ja ganz oft so, ein eher größeres Thema, dann erschrickt man schon mal und sagt, boah, sowas Großes, das schaffen wir gar nicht nebenbei. Aber auch so ein großes Thema kannst du in viele kleine Schritte zerlegen, ja? Deshalb hilft dieses, also das stört uns und jetzt beschreiben wir mal einen Zustand, der besser wäre. Also wie soll es denn aussehen, wenn es dieses Thema nicht mehr gäbe. Und dann immer nur den nächsten Schritt dahin, den nächsten Schritt. Und da gibt es auch kein Richtig oder Falsch, also/

MAX MEISTER: Nee, das glaube ich sowieso, das ist ja ein Prozess.

JULIA BOPPERT: Genau. Genau.

MAX MEISTER: Okay. Das heißt, dann haben wir den biggest Painpoint oder den schönsten Zielzustand oder den schönsten Einzelschritt definiert und dann konzentriert man sich auf den?

JULIA BOPPERT: Genau.

MAX MEISTER: Und dann würde mich jetzt noch einmal interessieren, das Thema Routine. Wenn du sagst, das soll eigentlich so sein, dass man jeden Tag da kleinste Schritte macht, dann ist es ja eigentlich schon so, dass es manche Mitarbeiter geben wird, die sich mehr mit dem Thema beschäftigen und manche wahrscheinlich weniger?

JULIA BOPPERT: Ja, definitiv. Also dieses täglich ist eigentlich so ein bisschen der Versuch, in unserer Gedankenroutine voranzukommen. Also das ist eigentlich deshalb täglich, weil unser Hirn so funktioniert, ja? Was man im Ideal macht, ist, dass man zum Beispiel einer Führungskraft von einem Bereich eben genau dieser täglich Aufgaben gibt und diese Führungskraft dann halt auch täglich dafür einen gewissen Zeitanteil hat, wo sie sich drum kümmern kann. Mein Erfahrungswert ist unter einer Stunde. Das darf nicht länger dauern wie eine Stunde, sonst wird es nicht passieren.

MAX MEISTER: Sonst ist es unrealistisch, ja.

JULIA BOPPERT: Ja. Weil, wie gesagt, die Führungskraft hat ja auch Tagesgeschäft, ja?

MAX MEISTER: Ja, die Führungskraft hat vor allem ja den Begriff Führung da drin stehen und selbst das ist oft ja im Alltag schon schwierig.

JULIA BOPPERT: Ganz genau.

MAX MEISTER: Dass man sich wirklich genügend Zeit nimmt für Feedbackgespräche und überhaupt auch mal zum Ausdruck bringt, was mir selber wichtig ist.

JULIA BOPPERT: Also ein Begriff, den man oftmals hört, der auch so ein bisschen in diese Agilwelt oder aus dieser Agilwelt ja kommt, ist dieser Process-Owner. Also an und für sich sollte sich derjenige um den Prozess kümmern, der sozusagen für diesen Prozess den Hut auf hat. Das kann die Führungskraft sein, das kann aber auch jetzt theoretisch jemand sein, der eben in einer Stabsfunktion diese Führungskraft begleitet, ja? Im schönsten Fall ist es aber die Führungskraft, weil, sie ist für das Leistungsergebnis verantwortlich, sie ist für das Team verantwortlich und sie ist für die Verbesserung in diesem Ablauf verantwortlich. Sie hat eigentlich alles in der Hand, was zu diesem Prozess dazugehört.

MAX MEISTER: Genau. Aber auch hier merke ich grade sozusagen, eigentlich sollte ich mich da nicht festlegen davor, sondern eher schauen, was sich im Prozess ergibt und was dann am besten funktioniert?

JULIA BOPPERT: Genau.

MAX MEISTER: Okay. Also muss ich in dem Fall ein bisschen auf die Tube drücken, sonst wird das Ganze zu lang. Also ich merke schon, durch deine Fragen, da gibt es einige Sachen, wo ich sozusagen auch wahrscheinlich vordefinierte Meinungen schon habe, die aber in so einem Prozess nicht unbedingt helfen. Also das kann dann wahrscheinlich auch der Maschinenbauer, der Brillen herstellt, da könnte das auf den auch zutreffen. Vielleicht zum Abschluss, ich glaube, ich könnte mir vorstellen, wenn ich bei dir anrufe sozusagen um Hilfe suche, was auf mich zukommt. Jetzt kann natürlich sein, dass jetzt die letzte Frage auch wieder zeigt, dass ich engstirnig hier unterwegs bin, aber jetzt bin ich gespannt.

JULIA BOPPERT: Ich jetzt auch.

MAX MEISTER: Ja. Zum Thema Bodenmarkierungen oder Bodenmarkierung oder wirklich vor Ort Sachen verbessern. Als wir den Rundgang gemacht haben, in welchem Bereich würdest du denn als erstes zu mir sagen: „Du Max, schau dir bitte mal mit den Kollegen vor Ort die Themen an?“

JULIA BOPPERT: In Bezug jetzt auf Bodenmarkierung oder so allgemein?

MAX MEISTER: Allgemein. Wo ist dir wirklich was ins Auge gesprungen? Bitte außer der Bereich, wo das Palettenregal nicht angekommen ist, weil unser Lieferant uns seit sechs Monaten hängen lässt. Also wo würdest du sagen: „Max, hier bleib mal ein bisschen länger stehen und guck mal.“?

JULIA BOPPERT: Jetzt nicht im Sinne von, dass du da den größten Hebel hast, weil ich ja den Umschlag nicht kenne, von einmal durchgehen. Aber ich würde mir hinten die Werkstatt anschauen.

MAX MEISTER: Okay. Ja.

JULIA BOPPERT: Ich finde, das wäre ein tolles Beispiel, auch so für Vorher-Nachher-Fotos, ja? Wenn du jetzt dieses Lean-Thema neu beleben willst und ja da auch so ein bisschen einen Leuchtturm brauchst, wo du sagst, schau mal mit dem Team, mit auch wenigen Tagen, Wochen haben wir diesen riesen Effekt gebracht, das, glaube ich, könnte ein schöner Bereich sein, der so ein bisschen auch das Aushängeschild dann für euer neues oder jetzt neu aufgefrischtes Lean-Thema sein könnte.

MAX MEISTER: Okay. Also das fällt mir natürlich nicht leicht, da zu zustimmen, aber ich glaube, da hast du Recht. Ich werde mir das mal auf jeden Fall notieren. Okay. Also vielen Dank für deinen Input, super spannend. Für mich ist das ganze Thema wirklich sehr, sehr interessant. Ich glaube, wir machen da in Summe gesehen auch schon ein paar Sachen richtig, aber es ist einfach so, in dem Fall weiß ich, der Matthias zum Beispiel brennt für das Thema auch und das ist einfach, es ist ein wichtiges Thema. Und mir macht es riesig viel Spaß und hier kann ich jetzt noch einmal sagen, vielen Dank auch noch einmal für die wahnsinnig gute Betreuung während meiner Diplomarbeit, vor allem, weil ich da weiß, da hatte ich so zwischendrin so ein kleines Leistungstief.

JULIA BOPPERT: Ich kann mich schon noch erinnern.

MAX MEISTER: Ja genau. Vielen Dank, auch dass/

JULIA BOPPERT: Aber das macht ja gar nichts. Du hast ja was Tolles draus gemacht und das ist doch die Hauptsache.

MAX MEISTER: Ja das stimmt. Also perfekter Abschluss, vielen Dank.

JULIA BOPPERT: Ja.

MAX MEISTER: Also auch hier noch einmal danke dir.

JULIA BOPPERT: Danke dir lieber Max.

MAX MEISTER: Kleiner Nachtrag, weil ich das vergessen habe leider vorher beim Interview mit der Julia und zwar, was ich nur empfehlen kann und das packen wir unten auch in die Shownotes, einmal pro Woche schreibt die Julia so ein kleines Learning im sozusagen Rückblick auf die Woche und das sind dann in der Regel so kurze Einträge zum Thema Worte versus Taten oder ja, also ganz unterschiedliche Themenbereiche. Und mir gefallen die super gut und insgesamt auf jeden Fall ein spannendes Profil, schaut mal rein. Ich werde das nachher noch drunter packen. Also danke noch einmal. Tschau.

 

Links:

Ludwig Meister

Max Meister Linkedin

trilogIQa

Dr. Julia Boppert Linkedin

 

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